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Von der Tierart zum individuellen Tier

von Helmut Höge

1. Tierhaltung und -verachtung

Zoo und Tierpark sollen dem Amüsierpöbel geopfert werden! Schon jetzt ist der Westberliner  Zoo vollgestopft mit Tierplastiken und Kinderspielplätzen, es finden dort Hochzeiten und Jubiläen statt. Es ist laut und bunt. Ein Riesenrad nebendran, von einem holländischen Investmentfonds geplant, konnte gerade noch abgewendet werden – mangels Geldgeber. Die Ickeberliner amüsieren sich dort aber auch so mit Kind und Kegel wie Bolle, während die armen Wildtiere um sie herum in mittelalterlichen Käfigen zwischen orientalisierten Fake-Kulissen ihre Lebenszeit verdämmern. Man fühlt sich einfach beschissen nach einem Zoo-Besuch.

Etwas besser ist es im Tierpark, der einmal der größte der Welt war und von daran interessierten Ostberliner Bürgern mittels “Aufbaustunden” mitgestaltet wurde. Gegründet wurde er vom “DDR-Grzimek” Professor Dathe. Nach der Wende verlor dieser sofort seine Stellung und Wohnung als Tierparkdirektor. Zoo und Tierpark werden seitdem zusammen verwaltet – von einem Gremium honoriger Westbeamter. Gegenüber der Ost-Journalistin Gisela Karau äußerte Dathe nach seiner Zwangspensionierung den Verdacht: “Der Tierpark wird wohl weiterbestehen, aber vielleicht als eine Art Hirschgarten, der keine Konkurrenz für einen Zoo darstellt. Wir waren immer ein Wissenschaftszoo, der Westberliner mehr ein Schauzoo. Und die Wissenschaft muß weg.”

Bei der Gründung des Zoos im 19.Jhd. sprach die Vossische Zeitung noch von einem “stillen erheiternden Naturgenuß für Arm und Reich” und dem  “schönen Zweck einer wahren Volksbelehrung”. Nun will man sich jedoch an den “Erfolgsrezepten” des Hannoveraner und Leipziger Zoos orientieren. Der Zoo-Direktor von Hannover Klaus-Michael Machens weiß nämlich: “Die Menschen kommen nicht in den Zoo, um sich belehren zu lassen, sie wollen etwas erleben. Man muß sie begeistern und faszinieren.”

Mit einem “Geheimplan” zur Modernisierung der beiden Berliner Einrichtungen wollten einige Westbeamte der Standortkonkurrenz die Stirn bieten. Da der Zoo-Tierpark-Direktor Bernhard Blaszkiewitz mauerte und weiterhin auf “Zuchterfolge statt Erlebnispark” beharrt, gaben sie das “streng vertrauliche Papier” der BZ, die sich einige Highlights  herauspickte: das Elefantengehege – “indische Traumwelt statt Tristesse (wie es sich jetzt noch darstellt), bei den Giraffen: “Grün statt Gitter”, beim Panda ein “chinesischer Pavillon” und bei den Eisbären: “Erlebniswelt statt Steinhaufen”. Dazu ein neues “Erlebnisaquarium”, ein “Regenwaldhaus”, “Shops für Merchandisingprodukte”, “Ausstellungsflächen”, erhöhte “Aussichtspunkte” und “lukrative Restaurants”.

Wir haben es hier mit einem “Bauprojekt” zur Aufhübschung der Kulissen zu tun, mit dem Ziel, die einst postulierte  “Gemeinnützigkeit für alle” in eine, internationalen Standards genügende Vergnügungsoption für die gehobenen Klassen zu verwandeln. Diesem, typischen Modernisierungsdenken Westberliner Immobilien-Projektemacher entsprungenen “BZ-Geheimplan” steht die um sich greifende Einsicht gegenüber, das es seit dem Zerfall der Sowjetunion nicht mehr um Modernisierung, sondern um Ökologisierung geht.

So schafft es vielleicht der “Juchtenkäfer” zusammen mit den FFH-Artenschutzrichtlinien der EU, was die 100.000 Demonstranten in Stuttgart bisher nicht geschafft haben: den Stopp des Großbauprojekts “Stuttgart 21″, denn der Lebensraum des seltenen Käfers wurde bei den 25 bis jetzt gefällten Laubbäumen am Hauptbahnhof ohne EU-Genehmigung mit zerstört.

Auch das Halten seltener Tiere wird ständig gesetzlich verschärft. Schon will man den herumziehenden Zirkussen verbieten, überhaupt noch wilde Tiere zu dressieren und auszustellen. Die Tierschützer sprechen hierbei vom “Mißbrauch in der Manege”. Daneben werden immer häufiger wissenschaftliche Experimente mit Tieren – zuletzt die von einem Affengehirnforscher an der Universität Bremen – zu einem “Skandal”.

Es ist jedoch nicht so, dass sich keiner Gedanken über den Tieren angemessenere Haftbedingungen in den Zoos macht. 2008 lobte das Feuilleton z.B. das neue Menschenaffenhaus des Frankfurter Zoos, “Bogori-Wald” genannt: “Wie der Name schon erahnen lässt, wurde die Natur in Form von vielen Bäumen, Sträuchern, Felsen und Naturboden in das Haus geholt, so dass sich Mensch und Tier wie im Dschungel fühlen können,” schrieb eine Lokalzeitung – reichlich naiv.

Dass die Löwen, Panter, Wölfe und Hyänen aufhören, in ihren Berliner Gehegen ständig auf und ab zu gehen, wenn sie erst hinter “naturnahen Kulissen” eingesperrt sind, ist ebenso zweifelhaft, wie dass  die träge ihre Tage verdösenden Huftiere sich nach Modernisierung ihrer Stallungen und ihres Auslaufs aufraffen, um “die Menschen” wieder und wieder “zu begeistern und zu faszinieren”.

Die Verhaltensforschung ist schon lange von der Beobachtung einer Art zu der von Individuen fortgeschritten. Indem die  Bundesverfassung der Schweiz Tieren wie Pflanzen eine Würde zugesteht, hat sie über den Arterhalt hinaus (um z.B. den “Gen-Pool” nicht zu schmälern) den einzelnen Tieren und Pflanzen so etwas wie “Menschenrechte” (im Sinne der Französischen Revolution) eingeräumt. Es geht dabei um die Verbesserung ihrer Lebens- und Haltungsbedingungen – u.a. auch in den  Zoologischen Gärten. So dürfen z.B. keine Herdentiere – vom Meerschweinchen bis zum Bison – mehr einzeln gehalten werden.

Ähnlich denkt auch der Zoo- und Tierparks-Direktor Blaszkiewitz: “Es ist unsere Aufgabe, Naturschutz zu betreiben.” Die Springerpresse spricht dagegen im Sinne der Bauunternehmer “Klartext”: “Es geht für den Tierpark auch ums Überleben. Die Modernisierung spart nicht nur Zuschüsse” (vom Senat – derzeit 7,5 Mio jährlich). Noch klarer ausgedrückt: Wenn speziell der (Ostberliner) Tierpark nicht endlich aus dem Knick kommt, wird er zum “Hirschgarten” zurückgebaut – und der Zoo mausert sich allein zu einem Mega-”Amüsierbetrieb” für jung und alt.

Man bekommt bei diesem “Geheimplan” die Gewißheit, dass das derzeitige Restaurationsklima bereits bis in die Zooarchitektur durchgedrungen ist. Wenn die Situation sich ändert, geht es aber auch anders herum: So kamen z.B. die Professoren und Kuratoren des königlichen Tiergartens in Paris der Forderung der Französischen Revolutionäre, ihn zu schließen, zuvor, indem sie sich blitzschnell “demokratisch” umstrukturierten. Auch dem Junktim des Konvents, dass der Zoo nur erhalten bleibe, wenn der Löwe darin nicht länger als “König der Tiere” gelte, kamen sie sogleich nach.

2. Zoo-Tiere

Dass man langsam auch in der Biologie von der Erforschung der Arten zu der von Individuen fortschreitet, daran haben nicht zuletzt die Zoologischen Gärten ihren Anteil. Diese Einrichtungen dienen zwar der Erhaltung der Artenvielfalt, dies geschieht jedoch mit Individuen, die möglichst lange in Gefangenschaft leben sollen – und dabei den Pflegern und dem Publikum erst mal mit ihren quasi persönlichen Eigenschaften – und Namen – bekannt werden.

Im Folgenden einige Beispiele aus “Zoo-News”. Dort hält man es wie die Herausgeber des “Handbuchs der Vögel Mitteleuropas” (HBV): Das Verhalten einer Art wird im Präsens beschrieben, Beobachtungen von einzelnen Tieren bzw. Tiergruppen dagegen im Imperfekt. Ich habe diese Differenzierung hier und da aufgehoben:


“Rückschlag für die Gründung einer neuen Gorilla-Familie im Frankfurter Zoo: Der Nachwuchs von Gorilla-Mann ‘Viatu’ und der Affen-Frau ‘Ruby’ ist tot. Bereits kurz nach der Geburt griff ‘Viatu’ plötzlich seinen Nachwuchs an und tötete den kleinen Affen – der noch unbenamt war – durch einen Biss. Der Vorfall erschüttere die Tierpfleger und Besucher gleichermaßen, sagte Zoodirektor Manfred Niekisch. Bei freilebenden Gorillas komme es immer mal wieder vor, ‘dass neue Haremschefs die Kinder ihrer Vorgänger töten’. Dass ‘Viatu’ nun seinen eigenen Sohn getötet habe, lasse sich nur damit erklären, dass er seinen Platz unter den Weibchen noch nicht gefunden habe.”

“Trauer auch im Zoo in Rheine: Gestern Morgen fand Tierpflegerin Sonja Hölscher einen neugeborenen Seehund tot im Wasser. Die siebenjährige Seehündin ‘Hannah’ hatte das Tier in der Nacht zu Mittwoch zur Welt gebracht. Der Zoo geht davon aus, dass der teilweise aggressive Vater ‘Robby’ das Neugeborene gebissen hat.”

Wir haben es hierbei nicht mit  “normalem” Artverhalten zu tun, sondern bloß mit einem beziehungsmäßig noch desorientierten Gorillamännchen namens “Viatu” und einem “teilweise aggressiven” Seehundmännchen namens “Robby”. Ein Problem, das man von  Volksschulen und Amüsiermeilen  kennt und dort auch schon seit Jahren diskutiert. Wobei jedoch zu bedenken ist, dass es auch eine sozusagen “natürliche Aggressivität” gibt, die es bei in Gefangenschaft gehaltenen Tieren zu beachten gilt:

Im Allwetterzoo Münster starb das erste dort geborene “Gorillababy im Alter von fünf Monaten: In der jugendlichen und mit Nachwuchs unerfahrenen Gorillagruppe warf es mehrfach zu Streitigkeiten um den Besitz des Babys gekommen. In zwei beobachteten Fällen wurde es dabei leicht verletzt, doch Mutter ‘Changa-Maidi’  konnte sich immer gegen die übrigen Gruppenmitglieder durchsetzen und zog ihr Kind nahezu vorbildlich auf. Nachdem auch ‘Gana’, das zweite jüngere Weibchen, trächtig wurde, kehrte offensichtlich Ruhe in der Gruppe ein. Unbemerkt von Pflegern und Besuchern muss aber dann nochmals eine Rangelei um das Kind stattgefunden haben. Hierbei kam es zu einer massiven, äußerlich nicht erkennbaren Verletzung im Beckenbereich des Jungtiers. Bevor ein Ärzteteam der Universitätskliniken Münster es untersuchen konnte, starb es. Nach diesem Rückschlag schaut man im Allwetterzoo aber nach vorn und hofft auf die nächsten Geburten.”

Im Tiergarten Nürnberg hatte dagegen die Löwin “Keera” alles selbst im Griff, als sie “zwei kleine Löwenbabys” gebar:

“Nach vorsichtiger Erkundung der neuen Umgebung und entsprechender Eingewöhnung wurde auch Vater ‘Thar’ zur Gruppe gelassen. Nach einer freundlichen Begrüßung zeigte die Mutter ihrem Partner sehr deutlich, dass sie keine Annährung an den Nachwuchs wünschte. Erst nach einigen Stunden suchte sie den Kontakt zu ihm und führte die Jungen näher an ihn heran. Am nächsten Morgen durften die Jungen ihrem Vater erstmals für kurze Zeit die Mähne kraulen. Seither rückt die Familie enger zusammen, wie es sich für eine Löwenfamilie gehört.”

Auch bei den Großen Ameisenbären kommt der Vater erst nach einiger Zeit ins Spiel, wie der Magdeburger Zoo meldet:

“Jährlich werden weltweit nur 25 bis 30 dieser Tiere, europaweit sogar nur drei bis sechs Tiere geboren! Als die in Magdeburg lebende Ameisenbären-Mutter ‘Estrella’ ein Junges bekam, kümmerte sie sich fürsorglich darum: Sie trug den kleinen Zoobewohner rittlings auf Ihrem Rücken umher oder wärmte und umwickelte ihn zum Schlafen mit ihrem buschig behaarten Schwanz. Bis zur elften Woche nahm das Jungtier Muttermilch auf. Danach begannen Mutter ‘Estrella’ und Vater ‘Kaspar’, es gemeinsam mit vorverdautem Brei zu füttern.”

Ähnlich war es bei den Weißbüschelaffen im Tierpark Ueckermünde: Dort bekam ein Weibchen zum dritten Mal Drillinge, die es auch erfolgreich aufzog:

“Normalerweise bekommen diese Krallenaffen eher Zwillinge und bei Drillingen überleben sonst nur zwei Kinder. Bei der Aufzucht half die gesamte Familie mit. Der Vater und die älteren Geschwister halfen beim Tragen des Nachwuchses, der der Mutter nur noch zum Säugen übergeben wurde.”

“Im Zoo Krefeld gab es zu Beginn der diesjährigen Paarungszeit zunehmend Spannungen zwischen dem jungen Kamelhengst Raoul und seinem Vater “Oddvar”, der seinen Harem für sich allein beansprucht und dies gegenüber seinem schon recht erwachsen gewordenen Sprössling mit unmissverständlichen Zurechtweisungen zum Ausdruck brachte. Deshalb wurde es Zeit, für Raoul eine neue Heimat zu finden. Da kamen die Überlegungen im Tierpark Kleve gerade recht, demnächst auch eine Zucht mit den Trampeltieren zu beginnen. Unter lautem Klagen von Mutter ‘Raissa’ verließ also der Halbwüchsige seinen Geburtsort und wurde in Kleve mit großem Hallo empfangen.”

Zootiere kommen überhaupt viel herum:

“Vor wenigen Tagen kam Zebrahengst ‘Marty’ aus dem Erfurter Zoo im Tierpark Ueckermünde an. Wegen der hohen Temperaturen wurde das Tier nachts auf der Autobahn transportiert und erreichte wohlbehalten seine neue Heimat. Es sieht so aus, dass er sich gut mit Zebrastute ‘Napirai’ vertragen wird, die aus dem Zoo Eberswalde stammt. Beide Tiere sind etwa ein Jahr alt. Nachwuchs ist aber erst in zwei oder drei Jahren zu erwarten.”

Der Berliner Zoo meldete:

“Eisbär Knut soll eine Gefährtin – die knapp drei Jahre alte Jungbärin Gianna – bekommen”. Sie lebt z.Zt. noch im Münchner Tierpark Hellabrunn und wird in den Berliner Zoo umgesiedelt.”

Nachdem das geschehen war, berichtete die Berliner Tagespresse fast täglich über die Fortschritte in ihrer Beziehung: Es gab jedoch keinen, im Gegenteil: “Im Juli 2010 verließ ihn seine Eisbärenfreundin Giovanna.”

Knut bekam dafür ein neues Gehege – und dann wurden drei neue Eisbärweibchen zu ihm in das Gehege gesperrt. Die Presse berichtete: “Mit dem Besuch der drei Bärinnen sollte sein Liebeskummer bald überwunden sein. Im Dezember wird Knut vier Jahre alt und wahrscheinlich im nächsten Frühjahr geschlechtsreif. Vielleicht können sich die Zoobesucher bald über einen Nachwuchs-Knut freuen.”

Im Spätherbst hieß es jedoch: “Sorgen um Eisbär Knut. Dem Publikums-Liebling im Zoologischen Garten Berlin geht es nicht gut. Seit seinem Umzug auf den großen Bärenfelsen bedrängt ihn das Damen-Trio Nancy, Katjuscha und seine Mutter Tosca zum Teil äußerst heftig, bis hin zu Biss-Attacken und lautstarken Drohgebärden. Knut kauert meistens allein und in die Ecke gedrängt auf einem winzigen Felsvorsprung. Dort hält er ängstlich Ausschau nach den drei Weibchen. Im nächsten Frühjahr soll Knut eigentlich die Rolle seines Vaters Lars übernehmen, der alle drei Eisbärinnen gedeckt und mehrfach für Nachwuchs gesorgt hatte. Lars war an den Zoo Wuppertal abgegeben worden, wodurch der Platz frei wurde für den vierjährigen Knut.”

“Im Krefelder Zoo trauerte das etwa zehn Jahre alte Krefelder Löffelhundweibchen seit dem Tode ihres Gefährten im vergangenen Herbst. Nun ist aber das Gröbste uberwunden: der Zoo hat ein junges Löffelhundmännchen zur Erweiterung seiner Zucht aus dem Zoo Dvur Kralove aus Tschechien bekommen. Der neue Gefährte scheint ganz nach dem Geschmack des Weibchens zu sein. Die Tierpfleger berichten jedenfalls von Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden  Löffelhunden. Trotz des großen Altersunterschiedes hofft der Krefelder Zoo auf Nachwuchs.”

Ähnliches geschah im Erfurter Zoo:

“Zur Eröffnung der neuen Greifvogelanlage traf der erste Gänsegeier im Zoopark ein. Eine passende Partnerin ließ jedoch auf sich warten, da sich dieser Vogel in einer aktiven Brutkolonie befand und erst mit dem Ende der Brutsaison abgegeben werden konnte. Seit kurzem hat nun das Warten ein Ende. Das neue Gänsegeierweibchen aus Stuttgart demonstrierte gleich zu Beginn seine Größe mit ausgestreckten Flügeln und zeigte dabei sein prachtvolles Gefieder. Beim Anblick seiner zukünftigen Partnerin wurde dem schüchternen, männlichen Gänsegeier erst einmal bange. Danach beäugte er das stattliche Tier aus sicherer Entfernung. Vorsichtig näherte er sich mehrfach, um sich bei der kleinsten Bewegung wieder in Sicherheit zu bringen. Sie nahm es gelassen und setzte dann zum ersten Erkundungsflug in der großen neuen Greifvogelvoliere an. Auf eigenen Nachwuchs kann der Zoopark im nächsten Jahr jedoch nicht hoffen, dafür ist das im März 2004 geborene Weibchen noch zu jung.”

Im Allwetterzoo Münster wollte man mit einem Vaterschaftstest ermitteln, welcher  seiner Orang Utans an einen anderen Zoo abgegeben werden soll:

“Dort wurden 2004 zwei inzwischen neunjährige Orang-Utans aus dem Zoo Aalborg in Dänemark übernommen. Trennen wollte man die beiden erst im geschlechtsfähigen Alter, bevor es zu Auseinandersetzungen um den Rang in der Gruppe kommt. ‘Nur der, der sich fortpflanzt, sollte in Münster bleiben’, sagt Kurator Dr. Dirk Wewers. Also nahm man Kot- und Urinproben vom inzwischen sechs Monate alten Sohn ‘Ito’ sowie den potentiellen Vätern ‘Pongo’ und ‘Demo’. Sicherheitshalber wurde auch von dem als impotent geltenden 35jährigen ‘Jonny’ eine Urinprobe genommen. Dann bekam jedoch ein zweites Orang-Utan-Weibchen im Allwetterzoo eine Totgeburt. Von diesem Jungtier wurden Gewebeproben für den Vaterschaftstest untersucht. Das Ergebnis: Im Allwetterzoo leben zwei Väter! ‘Pongo’ ist für ‘Ito’ verantwortlich. ‘Demo’ ist der Erzeuger des toten Babys. ‘Jonny’ schied als Vater aus. ‘Wer jetzt von den beiden jungen Männern in Münster bleiben darf, ist noch offen’, sagt Dr. Wewers, ‘wir hatten auf die Klärung der Vaterschaftsfrage als Entscheidungshilfe gesetzt, aber nun müssen wir andere Kriterien heranziehen’.”

Das Verschicken der Zootiere dient nicht nur der Arterhaltung, sie werden aus verschiedenen Gründen auch immer mal wieder abgegeben bzw. gegen ein anderes Tier eingetauscht. Das gilt besonders für die in Aquarien und Terrarien gehaltenen Kleintiere. Täglich sind weltweit zigtausende Tiere unterwegs – zu Wasser, zu Lande und in der Luft – von einem Zoo zum anderen. Immer öfter aber auch zu Dreharbeiten und Fernsehauftritten:

“Im August war das kleine  Tigermädchen ‘Taiga’ und die  Dackelhündin ‘Bessi’ Gast auf dem ‘roten Sofa’ der NDR-Sendung DAS in Hamburg. Der Medienrummel um die kleine Tigerin aus dem Tierpark Ströhen reißt nicht ab. Nach dem Besuch von Ex-Fußballprofi Stefan Effenberg, der mit seiner Familie im Tierpark war, um die Patenschaft über das kleine Raubtier zu übernehmen, ist ‘Taiga’ inzwischen alt genug, um selbst auf Reisen zu gehen.”

Neben den Medien hat auch das Publikum seine “Tierlieblinge”, und die einen wie die anderen wollen außerdem immer mal wieder “Neues” sehen:

“Er ist noch ein bisschen tapsig, aber das ficht den neuen Star im Elefantenhaus des Kölner Zoos nicht an: Der fünf Tage alte Bulle ‘Khin Yadanar Min’ (burmesisch für: siegreiches Juwel). Er weicht seiner Mama Aye Shan May (14) nicht von der Seite – genauso wenig wie die anderen Kühe, die sich wie Bodyguards um Elefantenmama und -sohn scharen.”

Elefantengeburten in Zoos sorgen regelmäßig für Schlagzeilen und Besucherrekorde. “Aber nicht nur die kleinen Elefanten erweichen Zoobesucher-Herzen. Auch Moschusochsen-Baby ‘Ronja’ kann keiner widerstehen. Am 21. Juni erblickte das kleine schüchterne Männchen im Kölner Zoo das Licht der Welt.”

Den Pflegern im Osnabrücker Zoo fiel  die “schlechte Laune” ihrer Löwin Shaba auf: Sie tippten auf Zahnschmerzen, weil sie auch nicht mehr richtig essen wollte.Thorsten Vaupel, dem Revierleiter, gelang es, die Löwin zum Maulaufreißen zu bewegen. “Da steckt was drin!” war er überzeugt. Die Löwin wurde betäubt:  “zwischen den unteren Backenzähnen hatte sich ein Holzstück verklemmt”. Nachdem man es entfernt hatte, ging es “Shaba” wieder gut.

Im Erfurter Zoo litt die zur Gattung der Zebras gehörende “Tigerpferddame ‘Damara’” ebenfalls an Zahnschmerzen. “Sie hatte sich einseitig die Backenzähne abgenutzt. Dadurch war dort eine scharfe Kante entstanden. Der Tierarzt betäubt sie und führte die überfällige Zahnpflege durch.”

Und im Tierpark Chemnitz litt die “Tigerdame ‘Zeysan’ an eingewachsenen Krallen in ihrer linken Vorderpfote: Sie wurde narkotisiert und dann vom Tierarzt behandelt: “Nach überstandener Prozedur kann ‘Zeysan’ nun wieder ohne Probleme mit Tigerkater ‘Prinz’ die Freianlage durchstreifen.

Im Stuttgarter Zoo Wilhelma wurde ein Steinbock mit einer “Identitäskrise” eingeliefert: Er hatte wild lebend in der Nähe der Wanderstrecke am Uracher Wasserfall die Nähe von Spaziergängern  gesucht:  “Doch mit der Zeit wurde er immer aufdringlicher, denn irgendwie fühlte sich ‘Moritz’ wohl als Mensch. Nach mancherlei Hin und Her, nebst Klärung der rechtlichen Bedingungen, wurde ‘Moritz’ schließlich eingefangen  und in die Wilhelma verfrachtet. Dort sollte er seine wahre Identität finden und sich in der vorhandenen Steinbockherde mit seinesgleichen amüsieren. Er hatte jedoch längere Zeit keinen Kontakt zu anderen Steinböcken gehabt und somit ein wenig das Gefühl für die eigene Art verloren. Tatsächlich jagten ihm die Artgenossen sogar Angst ein, so dass er sein Heil in der Flucht suchte und mit einem Riesensatz ins Bärengehege sprang. Jetzt scheint er sich so allmählich als Steinbock zu fühlen. Zumindest den Weibchen und den jüngeren Böcken nähert er sich zaghaft an, den ‘Platzhirschen’ geht er lieber aus dem Weg. Bleibt zu hoffen, dass ‘Moritz’ bald vollendete Steinbockmanieren hat und als vollwertiges Herdenmitglied gilt.”

Wenn man mit einem Tier auf sozusagen engstem Raum lebt oder es dort erlebt, kommen unweigerlich Begriffe wie tapsig, schüchtern, aggressiv, schlecht gelaunt, desorientiert, verwirrt usw. ins Spiel. Inzwischen benutzen jedoch auch schon die Biologen, die das Verhalten von wildlebenden Tieren erforschen, solche Begriffe aus dem menschlichen Sozialleben, indem sie von eher draufgängerischen und mutigen Individuen bzw. von ängstlichen und zurückhaltenden reden – und z.B. den Stadtspatzen mehr Intelligenz und Kreativität als ihren auf dem Land lebenden Verwandten attestieren, ähnliches macht man auch für Hunde geltend.

Von der Verhaltensforschung, aber auch von den Tierschützern, kommen immer wieder Vorschläge zur Verbesserung der “artgerechten Haltung” von Tieren in Zoologischen Gärten. Daneben gibt es auch noch Architekten und Landschaftsplaner, die Ideen zur Verbesserung der Gehege entwickeln. Eigentlich wird in den Zoos ständig irgendetwas umgebaut. Der Gelsenkirchener Zoo meldet:

“Die Besucherresonanz der neu gestalteten zoologischen Erlebniswelt übertrifft deutlich die Erwartungen. Seit der Eröffnung der mit 14 Hektar größten von drei geplanten Erlebniswelten strömten knapp 450.000 Gäste nach ‘Alaska’ und ‘Afrika’.”

“Im Osnabrücker Zoo nimmt die 2.  Baustufe vom ‘Tal der Grauen Riesen’ nimmt Gestalt an. Die Mrs. Grays Wasserböcke – eine der schönsten Antilopenarten – konnten ihre Neuanlage beziehen. Die alte Huftieranlage wurde in ein Biotop mit Teich, Wasserlauf und Bambushainen umgestaltet. Jetzt kann der Besucher barrierefrei die Tiere – umgeben vom üppigen Pflanzenwuchs – beobachten. Unter dem Motto: ‘Mehr Platz für unsere Tiere!’ entsteht zurzeit das Nashornhaus und die große neue Freianlage für unsere Nashörner, die später mit Springböcken vergesellschaftet werden sollen.”

In Berlin bestehen die Verbesserungsvorschläge für Zoo und Tierpark nicht selten erst einmal aus Kritik am Direktor der beiden Einrichtungen. Zuletzt listete eine Grünen-Politikerin einige leidende Tiere im Zoo namentlich auf:

“Eisbär Knut (4). ‘Er hat zu wenig Platz und kaum Spielmöglichkeiten. Bären brauchen Sachen zum Knabbern, nicht nur eine Tanne zu Weihnachten. Außer rumliegen und mit dem Kopf wackeln ist nichts mehr los mit unserem Goldbären.’”

“Elefantenkuh Sabah ( 25). Sie starb Anfang Oktober nach einer Rangelei mit ihrer Artgenossen: ‘Rangeleien passieren oft, wenn die Tiere unter Stress stehen und keine Rückzugsmöglichkeiten haben. Wie in diesem Fall’.”

“Der Strauß ohne Federn (5). ‘Eine Antilope hat dem Strauß im Gehege die Federn abgekaut. Beide Arten wurden mit anderen auf engstem Raum gehalten. Der Strauß starb.’”

“‘Die Kritik ist berechtigt’, meinte  Marcel Gäding (33) vom Berliner Tierschutzverein dazu. ‘Die Tierunterbringung muss optimiert werden. Die Haltung entspricht nicht dem modernen Standard.’”

Im Churaumi-Aquarium von Okinawa starb das erste in Gefangenschaft geborenen “Rochenbaby”: “Der Mantarochen, geboren in dem Unterwasserzoo, hat keine Woche überlebt und war in einem Wasserbecken tot geborgen worden. Es hatte eine Länge von fast zwei Metern, als es von seiner über vier Meter großen Mutter nach gut einem Jahr Schwangerschaft geboren wurde.”

Erst kürzlich “kam aus dem Nürnberger Aquarium die traurige Nachricht über den Verlust eines Delphinbabys. Tierschützer machen die Haltungsbedingungen, die den natürlichen Lebensräumen zwar so gut wie möglich angepasst werden, in Meeres-Zoos für den Tod von Tieren verantwortlich.”

Eine gute Nachricht kam aus dem Serengetipark Hodenhagen:

“Heini hat es geschafft! Das Breitmaulnashornbaby war von Geburt an blind, jetzt kann wieder sehen- zunächst lediglich drei bis vier verschwommene Meter, Tendenz jedoch steigend. Diese erfreuliche Neuigkeit überbrachte Tierarzt Dr. Jens Linek, der das Jungtier erfolgreich an der Hornhaut beider Augen operierte.”"

Im Tierpark Chemnitz wagte man ein Experiment:

“Der Somaliwildesel ‘Sancho’ wurde aus seiner Einzelunterkunft ins Nachbargehege zu drei Böhm-Zebras gebracht. Der Wildesel lebt seit 1997 im Tierpark Chemnitz, ist aber zur Zucht nicht geeignet und konnte daher nicht mit einer Stute zusammengebracht werden. Um Platz zu gewinnen und auch um ihm Gesellschaft zu verschaffen, wagte der Tierpark den Versuch, ihn allmählich an die Zebras zu gewöhnen. Er bekam zuerst ausreichend Gelegenheit, sich allein mit dem ihm unbekannten Gehege vertraut zu machen. Danach wurden die vier afrikanischen Tiere unter Aufsicht zusammen gelassen. Man kann zwar (noch) nicht von einer dicken Freundschaft sprechen, aber die Tiere kommen gut miteinander klar. Nachts bekommt jede Art ihre eigene Box.”

Im Zoopark Erfurt fiel ein an seine Mutter geklammerter kleiner Nilflughund namens “Yoda” auf die Erde und lag hilflos am Boden:

“Das passiert in der Natur auch hin und wieder. Für den Kleinen ist das Leben dann zu Ende. Die Mutter fliegt nicht hinterher und sammelt ihr Kind wieder auf. Im Zoo könnte der Pfleger das Baby wieder an die Mutter hängen, theoretisch. Aber an welche? Und wie? Beim Versuch, sich den Tieren zu nähern, flattert alles wild durcheinander. In dieser Situation ein Baby an einen mütterlichen Bauch zu fummeln, ist unmöglich. Zudem ist die Gefahr, dass in der Panik noch andere Weibchen ihre Kinder verlieren viel zu groß. Yoda wird nun im Zoopark von den Pflegern mit der Hand aufgezogen: Er bekommt alle zwei Stunden Früchtebrei mit Traubenzucker, Joghurt und etwas Mineral-Vitamin-Pulver. Und er ist nicht allein. An seinem  Unglückstag stürzte ein weiterer  Flughund ab. Ewok ist ein paar Tage älter. Aber auch er lässt es sich in Pflegerhand gut gehen.”

Im Stuttgarter Zoo Wilhelma züchtet man – mit Erfolg – Somali-Wildesel, dennoch gibt es Probleme:

“In ihrer Heimat steht die Art am Rande der Ausrottung, in den Zoos der Welt gibt es noch etwa 130 Tiere. Alle stammen von 5 Tieren aus dem Basler Zoo und 12 Tieren aus einem Reservat in Israel ab. Leider geht es mit dem Nachwuchs bei Somali-Wildeseln nicht ganz so einfach, wie bei der übrigen Verwandtschaft. Vielleicht ist die Individuenzahl sogar zu gering, um die Art langfristig zu retten, aber die Zoos werden nicht aufgeben, solange noch Fohlen geboren werden. Jeder Zuwachs wird deswegen im Wilhelma-Zoo, der sechs Somali-Wildesel hält, enthusiastisch gefeiert, so auch das Stutenfohlen ‘Seyla’, das 2006 zur Welt kam. Zunächst blieb die kleine ‘Seyla’ mit Mutter ‘Sarina’ im Stall, um die Mutter-Kind-Bindung zwischen der noch unerfahrenen Stute und ihrem erstgeborenen Fohlen zu stärkern. Seit kurzem dürfen beide mit den anderen Stuten ‘Simone’, ‘Shebili’ und ‘Thea’ auf der Freianlage tollen. Vater ‘Luciano’ geht das alles nichts an – ihn interessieren Fohlen überhaupt nicht und die Stuten nur, wenn sie roßig sind. Den überwiegenden Teil des Jahres verbringt er daher von der Herde getrennt.”

Ähnlich reagieren männliche Nashörner, wie der Wilhelma-Zoo in Stuttgart meldete, wobei er deren Artverhalten jedoch zu einem individuellen Problem erklärte:

“Nach 16monatiger Schwangerschaft gebar die Panernashornkuh ‘Sani’ ihr viertes Kalb: ‘Shikari’. Vater ‘Bruno’ zeigt keinerlei Begeisterung für seine Tochter -  er ist kein Familientyp. Nach der Paarung will er auch von der Mutter nichts mehr wissen. Die Abneigung beruht allerdings auf Gegenseitigkeit – Panzernashörner sind Einzelgänger, die sich nur kurz und heftig zur Paarungszeit treffen. Das Kalb allerdings bleibt ca. zwei Jahre bei der Mutter, es wird erst in die Selbständigkeit verstoßen, wenn sich der nächste Nachwuchs ankündigt. Auch in der Wilhelma war das letzte Kalb, der Bulle ‘Sahib’, erst wenige Wochen vor dem vermuteten Geburtstermin von ‘Shikari’ in seine neue Heimat, den Zoo von Madrid, abgereist. Panzernashörner in Zoos bilden eine kleine, notgedrungen sehr reisefreudige Gemeinschaft. So kam ‘Sani’ 1993 als Geschenk des Staates Nepal aus dem Royal Chitwan Nationalpark in die Wilhelma, um frisches Blut in die hier so überaus erfolgreiche Zucht der seltenen Tiere zu bringen.”

Im Tierpark Chemnitz gelang die Zucht von afrikanischen Kuckucksvögeln – den sogenannten Weißwangen-Turakos. Hier torpedierte das Männchen anscheinend aktiv die Aufzuchtbemühungen des Weibchens:

“Mittlerweile ist der Jungvogel aber aus dem Nest und für Besucher gut zu sehen. Der Vater musste nach dem Schlupf des Jungtieres in die Nachbarvoliere verbannt werden, da er die Aufzuchtsbemühungen des Muttervogels störte.”

Ganz anders dagegen die Zwergtamarinen im Chemnitzer Tierpark:

“Dort stellte sich endlich der sehnsüchtig erwartete Nachwuchs bei den kleinen schwarzen südamerikanischen Affen ein. Nach mehreren Jahren Zuchtpause gibt es nun wieder ein Jungtier bei den Springtamarinen im Tierpark Chemnitz! Es klammert sich im Rückenfell der Mutter fest, lässt sich durch das Gehege tragen und betrachtet schon sehr interessiert seine Umwelt. Nach dem Umbau und der Erweiterung des Krallenaffenhauses war im Sommer vergangenen Jahres ein neues Zuchtpaar dieser bedrohten Affenart zusammengestellt worden. Die Mutter wurde im Tierpark Chemnitz geboren, der Vater stammt aus dem Zoo Halle. Die Tiere leben in kleinen Familiengruppen. Anfangs sitzt das Neugeborene nur auf dem Rücken der Mutter, nach zwei bis drei Wochen trägt es auch der Vater herum, und später auch die älteren Geschwister. So helfen alle in der Gruppe bei der Aufzucht mit.”

Es geht in den Zoos vor allem um die Vermehrung der Tiere, wobei man  unterstellt, dass es ihnen in ihrem Lebens ebenfalls primär darum geht. So heißt es in einer Meldung des Chemnitzer Tierparks:

“Lange mussten sie auf diesen Moment warten, doch nun ist es endlich soweit. Die beiden Zwergflusspferde ‘Bingo’ und ‘Petty’ fressen in trauter Zweisamkeit. Die Strapazen der weiten Reise aus Spanien hat der junge Bulle ‘Bingo’ trotz Unfall gut überstanden. Die Wochen des gegenseitigen Beschnupperns und der Erholung haben im gut getan, und so stand dem ersten direkten Kontakt nichts mehr im Weg. Das erste Rendezvous der beiden – ohne trennenden Zaun – verlief friedlich und lässt auf eine innige Partnerschaft hoffen, schließlich sollen die beiden die Erhaltungszucht der stark bedrohten Tiere fortführen. Flusspferddame ‘Pettys’ ehemaliger Gefährte ‘Ortwin’ ist inzwischen zu alt für die Zucht. Er genießt seinen wohlverdienten Ruhestand in einem separaten Gehege, in direkter Nähe zu den Artgenossen.”

Im Allwetterzoo Münster mußten das Zoopersonal bei der Aufzucht von Reptilien einspringen:

“Um zwei junge Chamäleons zu präsentieren, die nur etwa 3 cm lang sind, hat Tierpflegerin Kristina Theobald neun Monate Zeit investiert! Das Weibchen der Kammchamäleons im Allwetterzoo hatte seine Eier im Terrarium im Obergeschoss des Aquariums abgelegt. Kristina nahm sie mit nach Hause in ihren Keller, weil es dort kühl genug ist. Im Aquarium ist es meist etwa 30 Grad warm, die Eier vertragen aber höchstens eine Umgebungstemperatur von 24 Grad. Im Freileben sucht die Mutter eine Eiablagestelle mit optimalen Bedingungen und kümmert sich dann nicht mehr um die Brut.” Nicht so  Kristina Theobald: “Sie  legte die Chamäleon-Eier zu Hause in eine Kiste mit Vermiculit, kontrollierte regelmäßig die Feuchtigkeit des Granulats und achtete auf die Idealtemperatur von 22 Grad. Am 31. Mai schlüpften dann die zwei winzigen Chamäleons, die bei guter Ernährung recht schnell wachsen werden.”

Im Wildpark Lüneburger Heide gab es eine Sonderveranstaltung:

Der “Hollywoodstar Norbert Tietz” taufte zwei sechs Wochen alte Schneeleopardenbabys – auf die Namen Kiera und Unda: “Die zwei extra hergestellten Tauftorten (aus Rind, Putenfleisch, Sülze und Wurzeln als Kerzen) wurden von den Jungleoparden zunächst etwas skeptisch beäugt.”

Im Stuttgarter Zoo Wilhelma mußten die Pfleger kurzzeitig bei der Aufzucht eines Esels einspringen:

“Zu ungestüm machte Esel-Hengst ‘Pancho’ seinen Damen den Hof, mit fatalen Folgen für die Poitou-Eselzucht in der Wilhelma: Hormongesteuert zu schnell in die Kurve, rums, Beinbruch, aus und vorbei… Lange Zeit war nicht mal sicher, ob ‘Pancho’ überhaupt eine der 3 Stuten erfolgreich gedeckt hatte. Jetzt steht aber fest: Er hat! ‘Hamra’ brachte ein bezauberndes Hengstfohlen namens ‘Sam’ zur Welt. Sie schien aber die Freude der Pfleger nicht ganz zu teilen, denn nach erster Betrachtung verweigerte sie zunächst die Annahme. Eineinhalb Tage verbrachte ‘Sam’ in der Obhut von Pflegern und Wärmelampen, erhielt seine Milch per Fläschchen, wurde unter Aufsicht aber auch zum Trinken zu ‘Hamra’ gebracht. Was den Sinneswandel bei der anfangs so unwilligen Mutter ausgelöst hat, wird wohl ihr Geheimnis bleiben – jedenfalls nahm ‘Hamra’ ihr Söhnchen am zweiten Tag an und sorgt seither vorbildlich für ihr Kind. Eine Zeitlang kann er jetzt die Streicheleinheiten der Besucher entgegen nehmen und dabei in Ruhe heranwachsen – wenn er in die Flegeljahre kommt, wird für ihn eine neue Herde gesucht, damit es nicht zur Inzucht unter den wertvollen Poitoueseln kommt.”

Wie viel Gedanken sich die Zootier-Pfleger um ihre Tiere machen (müssen), versuchte ich vor einiger Zeit in einem längeren Interview mit dem Ostberliner Elefantenpfleger Patric Müller herauszufinden. Siehe: http://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2009/10/11/

Zuvor hatte ich bereits zusammen mit Burghard Scherer ein längeres Interview mit dem Bremerhavener Aquariumspfleger Dieter Marwedel geführt. Siehe: http://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2009/11/05/fische_zeigen_10/


Kommentare zu “Von der Tierart zum individuellen Tier” (34)

    “Tierpfleger werden vielfach unterschätzt, dabei könnten sie den Elfenbeinturmbewohnern, die einen Zoo zu leiten glauben, manch wertvolle Lektion erteilen”

    So Oliver Graham-Jones, ehemaliger Zootierarzt in London, in “Zoo Tails”

    Eine Meldung aus dem “Spiegel”:

    Rotterdam – Der Alptraum jedes Zoobetreibers wurde heute in Rotterdam Wirklichkeit.

    Aus dem “zoopresseschau.info”:

    Der Fall:
    Im Rotterdamer Tierpark Blijdorp brach der Gorilla Bokito,11, aus seinem Areal aus und verletzte mehrere Menschen. Der Affe kletterte offenbar über eine Steinmauer, die sein Gehege umgab. “Er hat sogar den Graben durchquert, was allein schon bemerkenswert ist, weil Gorillas nicht schwimmen können”, sagte Zoo-Direktor Ton Dorrestijn. “Er ist dann auf dem Besucherpfad Richtung Restaurant gerannt und ist mit vollem Tempo in die Tische gerast.” Die Zoo-Besucher gerieten in Panik, woraufhin der Gorilla weitere Menschen attackierte. Vier Menschen sollen verletzt worden sein, eine Frau trug Bisswunden davon. Der Tierpark, der wegen des Feiertages in Holland besonders gut besucht war, wurde evakuiert. Bokito wurde in dem Restaurant schließlich von Tierpflegern in die Enge getrieben und betäubt.

    1. Ursachenerklärung:
    Der Tierrechtler Frank Albrecht, der durch seine Kritik an der Handaufzucht von Knut für erheblichen Medienwirbel sorgte, nimmt Bokitos blutige Flucht erneut zum Anlass die Institution Zoo und seine maßlosen Willkür im Umgang mit der Kreatur in Frage zu stellen. Nach Ansicht Albrecht sei Bokitos Flucht und anschließende Aggressivität u.a. auf seine zu starke Prägung auf den Menschen (Handaufzucht) zurückzuführen. So bestätigte Ziehvater Reiman Opitz gegenüber der BZ (20.05.2007), dass BOKITO schon drei bis viermal in Berlin ausgebüxt sei. ‘Bokitos aggressiver und blutiger Ausbruch ist die Folge von menschlicher Ignoranz, die Natur kopieren zu wollen und eine bodenloser Willkür gegen die Kreatur.’

    2. Ursachenerklärung:
    Manche Frauen sind von Gorillas so fasziniert, dass sie sich in sie verlieben. Dies geschah auch im Rotterdammer Zoo, woraufhin sich der Gorilla Bokito auf seine Verehrerin stürzte und zubiss. Der Affe ist in den Niederlanden inzwischen zum Medienstar geworden – mit allen Nebenwirkungen.
    Der Niederlande sind im Bann von Gorilla Bokito. Wie Eisbär Knut in Deutschland so bewegt der elfjährige Menschenaffe nun die Herzen und Hirne in Holland. … Wissenschaftler, Kommentatoren und sogar Philosophen beschäftigen sich mit dem aggressiven Verhalten des fast zwei Meter großen und 180 Kilo schweren Riesen-Affen. … Es scheint die umgekehrte und wahr geschehene aber sehr gewaltsame King Kong-Geschichte zu sein, die die Menschen so fasziniert, die aber einer 57jährigen Frau, die von Bokito angegriffen wurde fast das Leben kostete. Denn immer deutlicher wird, dass die von Bokito so schwer verletzte und über hundert mal gebissene Petronella Yvonne de Horde, eine sehr emotionale Beziehung mit dem Menschenaffen aufgebaut hat, die Bokito aber als Bedrohung empfand. Möglicherweise war die 57jährige Niederländerin sogar ein wenig in Bokito verliebt. Sie besuchte ihn im Rotterdamer Zoo fast täglich.

    Erklärungshintergrund:
    “Frauen lieben Affen. Dieser Mythos wurde durch den Film King Kong geschaffen,‘‘ stellt die Philosophin Stine Jensen in der Zeitung ,,Trouw‘‘ fest. Frau Jensen, die über das Verhältnis von Frauen und Affen in der Literatur, im Film und in der Wirklichkeit, eine Doktorarbeit geschrieben hat, meint: ,,Es sind die großen Muskelpakete der Menschenaffen, die ihren Harem aus unterdrückten Weibchen-Gorillas dominieren, die breiten Schultern, die großen Hände, das spricht Urgefühle bei manchen Frauen an.‘

    Offizielle Erklärung:
    Das Tier werde nicht getötet, doch sei unklar, ob der Silberrücken in Rotterdam bleibe, sagte Zoo-Direktor Ton Dorresteijn. Der Gorilla, der seit 2005 in den Niederlanden lebt, war zuvor im Berliner Zoo und hatte dort 2004 bereits einen hohen Zaun überwunden. Möglicherweise wurde der Gorilla von Besuchern des an diesem Tag besonders gut besuchten Zoos schikaniert und wollte seine Weibchen und Babys schützen, wie Dorresteijn sagte. Nachdem es den Wassergraben und den elektronischen Zaun überwunden hatte, sei das Tier vermutlich in Panik geraten. Nun werde untersucht, wie „Bokito“ den Graben überwinden konnte – zumal Gorillas wasserscheu seien.

    Die Lösung:

    1. Wenn die Rotterdamer sich Gorillas ankucken wollen, müssen sie fürderhin Pappbrillen mit dunklen Gläsern aufsetzen, damit die eingesperrten Menschenaffen nicht mitkriegen, wie sie angestarrt werden. Dazu heißt es in der englischen Presse:

    “The Rotterdam Zoo is giving away cardboard glasses that make it appear that you’re looking off to one side; these are gorilla-viewing glasses, meant to avoid incidents in which gorillas attack visitors for making eye contact with them. The glasses’ introduction follows an attack on a woman by an escaped gorilla. ”

    2. “Frankfurter Erklärung” zum Schutz aller Gorillas

    Sie wurde auf einem zweitägigen Symposium mit 160 Fachleuten erarbeitet, wie der Frankfurter Zoodirektor Manfred Niekisch am Mittwoch berichtete. Gorillas seien an sechs Fronten bedroht, sagte der Geschäftsführer der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft, Christof Schenck.

    Dazu gehörten die Wilderei – das Fleisch der Tiere ist in Westafrika besonders beliebt -, die Abholzung der Wälder, illegaler Handel, Seuchen wie Ebola, kriegerische Konflikte und ungeregelter Abbau von Bodenschätzen. Die “Frankfurter Erklärung“ bezeichnete Niekisch als “eine Art Kompass für alle, die mit Gorillas zu tun haben“. Sie fasse die “weltweite Gorilla-Kompetenz“ zusammen.

    Zoo-Amüsement kritisiert:

    Tierschützer sind empört über ein geplantes Klassikkonzert im Delfinarium des Duisburger Zoos. Das Geburtstagsständchen zum 75-jährigen Bestehen des Tierparks am Kaiserberg will ein Streichquartett der Duisburger Philharmoniker am Dienstag während eines Empfangs geben. Dabei steht unter anderem Mozarts «Divertimento Nr. 3» auf dem Programm.

    Das rund 15-minütige Konzert sei eine unnötige Lärmbelästigung für die sechs Delfine und somit Tierquälerei, klagte ein Sprecher des Wal- und Delfinschutz- Forums (WDSF) im westfälischen Hagen. Der erzeugte Schall werde durch das Wasser gut geleitet und bereite den Großen Tümmlern Schmerzen. «Die Tiere werden den Eindruck haben, neben einer Flugzeugturbine zu schwimmen», behauptet Andreas Morlok vom WDSF. Weil der Delfin- und Walschutzaktivist bleibende Schäden für die Delfine Dolly, Pepina, Ivo, Daisy, Donna und Delphi befürchtet, hat er das Veterinäramt eingeschaltet. Außerdem prüfe er eine Anzeige gegen den Betreiber des Zoos, so Morlok weiter.

    «Die Tiere können sich bei zu viel Lärm jederzeit in das hintere Becken zurückziehen », konterte ein Zoo-Mitarbeiter die Vorwürfe.

    Die Tierschützer fordern die Schließung aller Delfinarien in Deutschlands Zoos. Derzeit betrieben noch die Zoos in Duisburg, Münster und Nürnberg ein Delfinarium.

    Zoo-Artenreinheit kritisiert:

    Sie mussten sterben, weil ihr Vater plötzlich die falschen Verwandten hatte: Im Mai 2008 sorgte die Tötung von drei Tigerbabys in Magdeburg für Aufsehen. Jetzt wurde Anklage gegen Zoodirektor Kai Perret erhoben. Ihm wird Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorgeworfen, teilte das Amtsgericht Magdeburg am Freitag mit.

    Die drei Babys waren kurz nach der Geburt eingeschläfert worden, weil sie aus Sicht des Zoos für die Zucht ungeeignet waren. Zwei Jahre hatten sich die Magdeburger um Raubkatzen-Nachwuchs bemüht. Nachdem “Taskan” endlich Tigerkatze “Kolina” erhört hatte, kam die Nachricht vom Europäischen Erhaltungszuchtprogramm in London: Entgegen vorheriger Annahmen ist “Taskan” kein reinrassiger Sibirischer Tiger. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen im Januar zunächst mit der Begründung eingestellt, es gebe keine Hinweise auf strafbares Verhalten.

    Daraufhin legten Tierschutzverbände bei der Generalstaatsanwaltschaft erfolgreich Beschwerde ein. Bei einer Verurteilung drohen nun laut Gericht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Perret äußerte sich überrascht über das Verhalten der Staatsanwaltschaft. Er werde die Anklage nun genau prüfen und dann über weitere Schritte nachdenken, sagte er. Auch der Weltzooverband hatte die Magdeburger Entscheidung unterstützt.

    “Zoos setzen auf Tier-WGs”, berichtete die Süddeutsche Zeitung:

    Raubtiere und Pflanzenfresser in einem Gehege statt getrennter Haltung der Tierarten – das ist der Trend in deutschen Zoos, wie der Verband Deutscher Zoodirektoren (VDZ) auf einer Tagung in Augsburg berichtete. “Nicht nur für die Besucher, sondern auch für die Tiere sind gemischte Anlagen abwechslungsreicher und besser an die natürlichen Lebensverhältnisse angepasst”, sagte VDZ-Präsidentin Gisela von Hegel. Nach ihren Angaben gibt es zahlreiche Tierparks, in denen die Gemeinschaftshaltung ausprobiert wird.

    Die Ostsee Zeitung meldete:

    Naturpark Güstrow: «Raubtier-WG» wird eröffnet

    Im Natur- und Umweltpark Güstrow wird in der kommenden Woche eine «Wohngemeinschaft» für Raubtiere eröffnet. Das 1,2-Millionen-Euro-Projekt sei europaweit einmalig, hob Parkchef Klaus Tuscher am Montag hervor. Das gesamte Areal, in dem künftig Wölfe, Bären und Luchse leben werden, umfasse eine Fläche von sechs Hektar. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit sei geplant, Wölfe und Bären in einem gemeinsamen Gehege zu halten. Nach einigen Monaten sollen Luchse und Wölfe zusammengeführt werden. Bären und Luchse würden wegen der unterschiedlichen Größen aber nicht zusammenpassen. Die gemeinsame Haltung in den Gehegen solle zeitweise erfolgen.

    Känguru-Tagung:

    Seit über 25 Jahren hält der Krefelder Zoo Baumkängurus, in den 80er Jahren zunächst das mittlerweile in Zoos nicht mehr gehaltene Graue Baumkänguru und seit 1997 das Goodfellow-Baumkänguru. Durch mittlerweile acht erfolgreich aufgezogene Nachkommen des Stammpaares „Summer“ und „Bud“ ist Krefeld derzeit weltweit in der Zucht führend.

    Während in den 1980er und 1990er Jahren die Zahl der in Zoos gezeigten Baumkängurus aufgrund geringer Nachzuchterfolge drastisch abnahm, zeigt sich nun eine Wende, die auch auf der Tagung in Krefeld deutlich wurde. Dank der weltweiten Bemühungen in der Optimierung der Haltung zeigten sich nicht nur Nachzuchterfolge sondern auch ein steigendes Interesse der weltweiten Zoogemeinschaft.

    So konnte Dreßen die Zahl der europäischen Haltungen in fünf Jahren von vier auf neun Zoos erhöhen, verbunden mit einem Anstieg der gehaltenen Tiere von sechs auf 20 Individuen. Voraussetzung war und ist die weltweite Zusammenarbeit der europäischen Zoos mit denen Zoologischen Gärten aus Nordamerika und Australien, mit dem Ziel, weltweit eine genetisch gesunde und gesicherte Zoo-Population beider Arten aufzubauen.

    Nach drei intensiven Tagen verließen die Tagungsteilnehmer Krefeld mit großem Enthusiasmus verbunden mit besten Absichten für eine weitere kooperative Zusammenarbeit, die sicherlich auch auf der Faszination für diese Beuteltiergruppe beruht.

    Die Frankfurter Rundschau meldete:

    Zoo wird dem Abfall zugeschlagen

    Noch einen Wunsch will sich Darmstadts Grünen-Stadtrat Klaus Feuchtinger erfüllen: “Ich möchte das Vivarium auf eine tragfähige Basis stellen.” Feuchtingers Sorge liegen drastische Zahlen zu Grunde. Der dem Gartenamt zugeordnete kleine Zoo hat die Stadt 2008 an Zuschüssen rund 1,226 Millionen Euro (bereinigtes Betriebsergebnis) gekostet – Tendenz steigend.

    Feuchtingers Plan: Das Vivarium wird in den Eigenbetrieb Energie und Abfallwirtschaft (EAD) überführt. Zu diesem Zweck hat sich vergangene Woche eine Ämter übergreifende Arbeitsgruppe bei der Stadt etabliert, die zügig die Details ausarbeiten soll. Credo: “Heute in den Frankfurter-, morgen in den Opel-Zoo und übermorgen ins Vivarium.”

    Dahinter verbirgt sich die Herausarbeitung eines Alleinstellungsmerkmales. Für den derzeitigen Vivarium-Chef Thomas Becker und den Vorsitzenden des Vivarium-Fördervereins “Kaupiana”, Roman Scheidel, keine wirklich neue Idee – es gilt heute für das Vivarium bereits das Motto: Gondwanaland – eine Reise durch die südliche Halbkugel.

    Zwei Meldungen vom 4.11.:

    Leipziger Zootiere wurden nicht evakuiert/Zoo Leipzig bietet weiter Abendtouren an

    Nach der Bombenentschärfung am Leipziger Zoo haben dort die Bauarbeiter ihre Arbeit normal fortgesetzt.
    Die Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg war am Mittwochabend unschädlich gemacht worden. Zuvor waren etwa 800 Menschen aus Häusern in einem Umkreis von 300 Metern in Sicherheit gebracht worden, darunter auch Bewohner eines Seniorenheims.

    Die Nachtruhe für die Tiere des Leipziger Zoos wird auch weiter etwas später beginnen. Wegen der großen Nachfrage wird es auch künftig Abendtouren durch den Zoo geben. Auch im November werden ab 19:30 Uhr 90-minütige abendliche Streifzüge durch den Großstadtdschungel zu allen nacht- und dämmerungsaktiven Zootieren angeboten.

    Vor einer Woche erschien das 4. Heft der Zeitschrift für linksliberalen Neodarwinismus: “Zoon”. Die Titelthemen heißen:

    “Wenn Tiere träumen” und

    “Brunft – was vor dem Sex kommt”

    Unter der Rubrik “Geschichte” findet sich ein Beitrag über den Ostberliner Tierpark-Direktor Heinrich Dathe: “Der ewige Tiergärtner”.

    Ein Photo von Prof. Dathe (mit Orang-Utan im Arm) findet sich oben im blog-eintrag unter der westdeutschen Briefmarke “Prof. Grzimek zeigt Gorilla etwas”, noch weiter darunter findet sich ein Photo der Westberliner Zoodirektorin Katharina Heinroth (mit Orang-Utan im Arm) sowie eins vom jetzigen Direktor der beiden Berliner Tiergärten Bernhard Blaszkiewitz (mit Gorillaplastik).

    Die “Zoon” wird vom westdeutschen Verlag “Natur und Tier” herausgegeben und u.a. von Heiko Werning redaktionell betreut. Werning redigiert daneben noch die Zeitschriften “Reptilia”, “Terraria” und “Draco” des selben Verlags, in dem außerdem auch noch die Aquarianer-Zeitschrift “Koralle” erscheint.

    In der neuen Ausgabe der “Reptilia” geht es um Schlagenhalsschildkröten, in der “Terraria” um die Schlagen Südamerikas, in der “Draco” um Taggeckos und in dem “Meerwasseraquaristik-Fachmagazin Koralle” um “Spurenelemente”, die für ein Korallenaquarium wichtig sind. Die nächste Ausgabe beschäftigt sich mit Seenadeln.

    Wenn der Berliner Amphibien- und Reptilienforscher Heiko Werning ein Neodarwinist ist, dann war der Wiener Amphibien- und Reptilienforscher Paul Kammerer ein Neolamarckist. Ihm wurde deswegen im revolutionären Russland ein ganzes Forschungsinstitut angeboten, bevor er jedoch nach Moskau abreiste, wo er in der lamarckistischen Biologen-Scene um Boris Kusin und Ossip Mandelstam Anschluß gefunden hätte, beging er im Wienerwald Selbstmord. Die Sowjetunion ehrte ihn posthum mit dem Film “Salamandra”, der in Deutschland lange Zeit verboten war. Bei Kammerers Selbstmord und im Film “Salamandra”, in dem ihn die Sowjetunion im letzten Augenblick noch retten kann, geht es um die Wahrheit. Dazu hatte Ossip Mandelstam bereits beizeiten gesagt: “Ich habe mein Schach von der Literatur auf die Biologie gesetzt, damit das Spiel ehrlicher werde.”

    Neuerdings beschäftigen sich etliche angloamerikanische Biologen und Kulturwissenschaftler mit den lamarckistischen Züchtungsexperimenten von Paul Kammerer im Wiener “Vivarium”.

    Das hat jetzt den österreichischen Czernin-Verlag bewogen, das 1971 von Arthur Koestler veröffentlichte Porträt Kammerers: “Der Krötenküsser” neu herauszugeben – mit einem Nachwort von Peter Berz und Klaus Taschwer.

    Im Zusammenhang der aktuellen “Commons/Allmende”-Debattenkonjunktur, besonders im amerikanischen Sprachraum, wäre auch noch eine Neuherausgabe des 1913 von Paul Kammerer veröffentlichten Buches “Genossenschaften von Lebewesen” wünschenswert. Wir kommen sowieso nicht drumherum, die ganze elende Biologie in Soziologie aufzulösen. Die Konzentration über die Art hinaus auf Individuen ist bereits ein wichtiger Schritt dahin, ein weiterer das Sammeln des Wissens der mit Tieren und Pflanzen beschäftigten “Handarbeiter” – um es gegen das Wissen der sich mit Tieren und Pflanzen beschäftigenden “Kopfarbeiter” aufzubieten.

    Ein weiterer Schritt dahin waren u.a. die Arbeiten der Soziologen Gabriel Tarde und Roger Caillois. Ersterer wird von Bruno Latour bearbeitet. Gerade erschien bei Suhrkamp sein zusammen mit dem Wirtschaftswissenschaftler Vincent Lépinay herausgegebenes Buch “Die Ökonomie als Wissenschaft der leidenschaftlichen Interessen – Eine Einführung in die ökonomische Anthropologie Gabriel Tardes”, zuvor war dort bereits Tardes Werk “Monadologie und Soziologie” veröffentlicht worden, mit einem Vorwort von Bruno Latour. Von letzterem, Roger Caillois, erschienen im Verlag Brinkmann & Bose” die Mimikry-Forschungsarbeiten: “Meduse & Cie” – herausgegeben und übersetzt von Peter Geble, mit einem Nachwort von Peter Berz, das jedoch erst in einem zweiten Mimikry-Band von Roger Caillois veröffentlicht werden wird.

    In den Siebzigerjahren arbeitete ich im privaten Bremer Zoo, u.a. als Tierpfleger. Einmal mußte ich einen Elefanten und einige Ährenträgerpfauen im Zug nach Ostberlin begleiten, dabei lernte ich den Friedrichsfelder Tierpark kennen, den ich dann nach 1990 noch einmal – für “Die Zeit” – besuchte – Anlaß war ein “Schlangenraub”-Versuch durch den Westberliner Zoo:

    Berlin hat zwei Zoologische Gärten, deren Unterhaltung jährlich mit 30 Millionen DM bezuschußt wird. Der ältere liegt im Westteil mitten in der City. Auf 34 Hektar werden hier 14.000 Tiere gehalten. Er ist eine Aktiengesellschaft. Der Tierpark Friedrichsfelde dagegen war seit seiner Gründung 1954 eine Kultureinrichtung. Auf 160 Hektar werden dort “7361 Individuen in 890 Formen” gehalten, wie der erste GmbH-Jahresbericht nach der Wende auswies. Ein Rat honoriger West-Beamter beaufsichtigt beide Einrichtungen. Im Zuge ihrer Fusion und unter dem Zwang zum Sparen beschloß dieser Aufsichtsrat, die 17 Aquarien und die Schlangenfarm des Tierparks-Ost zu schließen: Die 104 Fischarten, 161 Schlangen und 42 Schildkrötenarten sollen in den Zoo überführt werden. Das ist die dürre Nachricht. Als ich davon erfuhr, dachte ich: Na ja, vielleicht haben sie es in den bunten West- Aquarien und -Terrarien besser … Doch dann zeigte das Fernsehen weinende Ost- Tierpfleger: “Ich verstehe nicht, wie 32 Jahre Arbeitsergebnisse plötzlich willkürlich zerstört werden.” Der Leiter der Schlangenfarm, Klaus Dedekind, sagte wütend: “Auf keinen Fall werde ich das Angebot, in den Westen überzuwechseln annehmen.” Es zeigte auch zum Kampf um den Erhalt des Tierparks wildentschlossene Rentnerinnen aus beiden Stadthälften, die in kürzester Zeit 30.000 Unterschriften sammelten und ein Spendenkonto einrichteten (Kennwort “Rettet die Schlangen”). Als dann auch noch meine PDS-Freundin Angelika mit mir schimpfte – “Du hast ja überhaupt keine Ahnung!” – obwohl sie so gut wie nie in den Tierpark geht und ich immerhin mal einen Elefanten dorthin begleitet hatte, war ich zu einer gründlichen Meinungsbildung vor Ort bereit.

    Der Tierpark Friedrichsfelde war der erste DDR-Betrieb, in dem nach der Wende ein Betriebsrat gewählt wurde. Dieser koordiniert nun den Widerstand gegen die schleichende Abwicklung. Als erstes war 1990 der allseits beliebte Tierpark-Direktor, Heinrich Dathe, Knall auf Fall in den Ruhestand geschickt worden. “Binnen drei Wochen haben Sie Ihre Dienstwohnung zu räumen”. Professor Dathe war im Osten so populär wie im Westen Professor Grzimek. Fünf Tage nach seinem Rausschmiß starb er: genau am Geburtstag des Westberliner Zoodirektors Professor Klös, der heute Aufsichtsratsvorsitzender ist. Die beiden mochten sich nie. “Der Dathe ist dem Klös um so vieles überlegen gewesen”, gibt Jennifer, die Tochter des Großtierhändlers Munro, der mit beiden Zoo-Direktoren Geschäfte machte, zu bedenken. “Klös hätte besser Manager als Zoologe werden sollen”, meint ein ehemaliger Tierpfleger. Zur Verabschiedung Dathes, von der dieser zu dem Zeitpunkt allerdings noch nichts ahnte, hatte Klös im November 1990 eine Rede gehalten. Sie ließ bereits Schlimmes erwarten: “Und wenn ich Ihnen, Herr Kollege, an diesem Ehrentag bekenne, dass vieles im Tierpark Friedrichsfelde mich so begeistert, dass ich es mir auch zwischen Kudamm und Landwehrkanal vorstellen kann, dann werten Sie es bitte als Ausdruck höchsten Respekts”. Professor Dathe verstand ihn sofort. Einer Ost- Journalistin, Gisela Karau, sagte er: “Der Tierpark wird wohl weiterbestehen, aber vielleicht als eine Art Hirschgarten, der keine Konkurrenz für einen Zoo darstellt. Wir waren immer ein Wissenschaftszoo, der Westberliner mehr ein Schauzoo. Und die Wissenschaft muß weg.”

    Erst einmal wurden dann rund 170 Mitarbeiter entlassen und für die verbliebenen 286 schwäbische Stechuhren installiert. Die Lehrausbildung der Zoo-Tierpfleger verlagerte man in den Westen. Dann wurden auch die Menschenaffen in den Westen verbracht. Und – wie im Zoo – das Mitbringen von Hunden in den Tierpark verboten. “Das haben wir aber abschmettern können”, so die Betriebsratsvorsitzende Ursula Rahn. Sämtliche gastronomischen Einrichtungen des Tierparks kamen in Treuhand-Verwaltung, die jedoch nichts dafür tat, so daß sie immer mehr herunterkamen. Andererseits wurde aber auch investiert: zum Beispiel 200.000 DM in die Schlangenfarm und 15.000 DM in die Aquarien. Isses die Möglichkeit?! Neuer Tierparkdirektor wurde dann ein Kurator aus dem Zoo, Bernhard Blaszkiewitz. Auch das noch, stöhnte man im Tierpark. Und es gab dann auch einige Kabbeleien. Blaszkiewitz war noch jung und anfangs vielleicht allzu beflügelt von seiner neuer Stellung. “Aber den wollen wir jetzt behalten”, meint die Betriebsratvorsitzende mittlerweile, die im Gegensatz zu den vier unmittelbar betroffenen Tierpflegern optimistisch ist, dass der Beschluß des Aufsichtsrats gekippt werden kann. Notfalls will sie gerichtlich dagegen vorgehen. Ihrer Meinung nach handelt es sich um eine “Betriebsveränderung” und dabei muß vorher der Betriebsrat gehört werden. Dieser Meinung ist im übrigen auch der Betriebsrat des Zoos, der sich in dieser “brisanten Angelegenheit” mit seinen Ost-Kollegen solidarisiert hat, wie er dem Berliner Bürgermeister, Eberhard Diepgen, schrieb. Der Regierende ließ daraufhin verlauten, ein Tieraustausch sei zwar Sache der Zoo-Leitungen, aber man müsse bei diesem Thema besondere Rücksicht auf die Befindlichkeiten der betroffenen Menschen im Ostteil nehmen.

    Selbst Tierpark-Direktor Blaszkiewitz war durch den “Tausch”-Beschluß brüskiert worden: “Sie haben ihn vor die Tür geschickt und dann wie einem dummen Jungen das Ergebnis verkündet”, weiß eine der Frauen am Tierpark-Lotteriestand. Als Kurator im Zoo war Dr. Blaszkiewitz insbesondere bei den älteren reichen Damen (den sogenannten Wilmersdorfer Witwen, “unseren Gönnern” im Zoo-Jargon) beliebt gewesen. Von diesen zog er etliche mit in den Tierpark rüber. Eine, Inge Fischer, findet sich schon – mit 35.000 DM – im Tierpark-Jahresbericht 1992 an erster Stelle und mit Foto auf der “Spender”-Liste. Eine andere, Ilona Albert, initiierte nicht nur eine Öffentlichkeitskampagne gegen den Aufsichtsratsbeschluß, sie schrieb auch bitterböse Briefe an alle Verantwortlichen: “Die Ostberliner können nicht verstehen, dass ein Gremium von 13 Westberliner Männern beschließt, die Reptilien zu deportieren. Kein Mensch versteht, warum der kleine Zoo West auch noch diese Tiere haben muß. Umgekehrt wäre es allen Menschen begreiflich, weil der Tierpark Ost sehr groß ist. Ein Gleichnis drängt sich auf: Ein reiches Kind sieht, dass ein armes Kind eine schöne, bunte Murmel hat, und nimmt ihm diese mit der Begründung weg, dass es dafür eine schickere Schachtel hat …” Das Ehepaar Liebau, “Zoo-/Aquariumsaktionäre und Tierparkspender”, forderte öffentlich die “Abwahl des Aufsichtsrates” und machte erst mal auf die Geldverschwendung im Zoo aufmerksam: “Erst Renovierung des Dienstwohnhauses vom ehemaligen Revierpfleger Herrn Walther – dann Abriß” – zum Beispiel.

    Im Osten gibt es indes noch weit mehr ältere Besucherinnen des Tierparks, die bereit sind, für seinen Erhalt auf die Barrikaden zu gehen. Zwischen 1955 und 1970 leisteten Tausende von Menschen mehrere Millionen “Aufbaustunden” für das beliebteste “Nationale Aufbauwerk” (NAW): die Umwandlung bzw. Erweiterung des ehemaligen Schloßparks Friedrichsfelde zu einem Tierpark. Ganze Betriebe engagierten sich: eine Berliner Bettenfabrik spendete Störche, die Kinderzeitschrift “Bummi” einen Giraffenbullen (namens “Bummi”), das Ministerium für Staatssicherheit – sinnigerweise – Stachelschweine. Jetzt sammeln Mitglieder des Lichtenberger Tierschutzvereins (“Es geht hierbei nicht um artgerechte Haltung, das ist eine Abwicklungsfrage”) und die Bürgerinitiative “Frankfurter Allee Süd e.V.” Protestunterschriften und Geldspenden “für die Modernisierung der Schlangenfarm in Eigeninitiative”. Eine von ihnen, Kerstin Bodnar, schrieb an Professor Klös: “… dass Sie in Afrika keine Giftschlange biß, liegt sicher nur daran, dass diese nichts von Ihrem Aufsichtsratsbeschluß und der ‘Verschleppung’ unserer Tierparkschätze in den Zoo wußten … Aber die Protestwelle beweist, dass er falsch war. Alle Berliner hat das zutiefst erschüttert und fassungslos, aber zum Glück nicht handlungsunfähig gemacht.” Eine andere, Cläre Mausser, schrieb in einem offenen Brief: “Der Schlangenfarm-Pfleger Klaus Dedekind soll vom Zoo (West) übernommen werden. Und er hat abgelehnt mit den Worten: ‘Ich lasse mich nicht kaufen!’ – Dass es noch solche Menschen gibt!! Dieser einfache Mann sollte vielen ein Vorbild sein. Bei aller Verbitterung, die uns Ossis immer mehr erfüllt, richtet dieser Mann uns auf, und wir sind stolz auf ihn, genauso wie auf die Kalikumpel von Bischofferode …”

    Die Aquariumspflegerin Carla Ruß, die den Rotschwanz-Wels “Charly” aus der Hand füttert, geht noch weiter als Dedekind: “Nie wieder werde ich einen Fuß in das Zoo-Aquarium setzen!” “Die Zusammenarbeit zwischen Zoo und Tiergarten hat ihren Tiefpunkt erreicht”, berichtete denn auch der Zoo-Betriebsrat dem Bürgermeister, den mittlerweile Protestschreiben vom San Diego Zoo bis zum Potsdamer Universitätsinstitut für Zoologie erreicht hatten. Einer der Wissenschaftler dort, Dr. Weber, hatte sich besonders über eine Radiosendung zum Thema “Schlangenfarm” geärgert. Die gewachsenen Bindungen des SFB, aber auch des Immobilienhändler-Senders 100,6 (Eigentum verflechtet!) lassen einen guten Überblick auf das Gesamtsendegebiet nicht zu. In diesem Fall gipfelte die journalistische Unbefangenheit in dem Wunsch: “Das ‘olle Schlangenhaus’ und die Ostberliner Meckerstimmen mögen bald der Zoogeschichte angehören.” Dr. Weber fand das “makaber” und gab Nachhilfeunterricht. Die größte Giftschlangenfarm Europas stammt ursprünglich aus einer Serumfabrik bei Dresden. Als diese geschlossen wurde, brachte der “legendäre” Pfleger, “Vater (Fritz) Kraus” die Tiere mit in den Tierpark. Sein Nachfolger wurde dann Dr. Petzold und schließlich Klaus Dedekind. Kurator der Farm ist heute der Dahte-Sohn Falk. Früher geschah das “Abmelken” des Giftes noch coram publicum. Die “Schlupferfolge” sind bis heute beachtlich. Da man in der Vergangenheit im Westberliner Zoo stets Giftschlangen-Geschenke abgelehnt und laut Betriebsrat auch Angst vor diesem massiven Neuzugang hatte, vermutete Dr. Weber, dass die Reptilien dort “zumindest längere Zeit hinter die Kulissen verschwinden müssen”. Das ist “kein Ruhmesblatt für die Berliner Kulturpolitik”. Die hat damit jedoch nichts zu tun, eher schon der Finanz- und der Gesundheitssenator, deren Vertreter auch im Aufsichtsrat sitzen. Weitere stellt die Commerzbank, die Landesbank, die Oberfinanzdirektion und eine Immobilienfirma. Dass diese Herren der “bedeutenden Berliner Bildungs- und Forschungsstätte” gewachsen sind, darf bezweifelt werden.

    Ihr Problem hängt mit dem unterschiedlichen Charakter der beiden Einrichtungen zusammen: Zoo und Aquarium (sowie Botanischer Garten) entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, etwa zur gleichen Zeit wie das nach englischem Vorbild im Panoptikumsstil erbaute Moabiter Gefängnis und die nach französischem Vorbild konzipierte Irrenanstalt auf dem Gut Dalldorf, später “Bonhoeffer Heilstätten” genannt. Die Zoo-Anlage wurde vom preußischen General-Gartendirektor Peter Joseph Lenné entworfen, der dann, neben Alexander von Humboldt, auch in der Verwaltungs-Kommission des “Actien- Vereins Zoologischer Garten Berlin” saß.

    Zwar wurden in all diesen fünf Institutionen nicht-ausgereifte, unvernünftige Lebewesen verwahrt, konzentriert und teilweise erforscht, d.h. erst einmal systematisiert, aber es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen Gefängnis und Irrenanstalt einerseits und Zoo/Aquarium/Botanischer Garten andererseits: In ersteren geht es vor allem um die Isolierung der Gefangenen – auch voneinander. Im Gefängnis durften die Inhaftierten nicht einmal miteinander reden, außer mit “gesitteten Personen”. Und bis heute dürfen sie sich nicht paaren, während die Tiere und Pflanzen dazu regelrecht gezwungen werden … Während also dort ein Mangel an sittlicher Vernunft weggesperrt wird, herrscht hier quasi ein Überschuß. Da den vor-menschlichen Wesen aber Seele und freier Wille abgesprochen werden, bezieht sich das nicht auf sie – sozusagen persönlich, sondern auf ihren überindividuellen Platz in der ästhetischen und wissenschaftlichen Gesamtanordnung der jeweiligen Anlage. “Artgerechte Haltung” verkürzt sich dabei auf “Vermehrungsfähigkeit”. “Unterhalb der Schafarten kann man nur noch die Schafe zählen”, meinte Michel Foucault einmal, für den die animalische Liebe ein Fest war, das ihn traurig und glücklich zugleich machte.

    In einem Vorschlag zur Abschaffung des Eintrittsgeldes für den Berliner Zoo pries die “Vossische Zeitung” im 19. Jahrhundert dessen “Gemeinnützigkeit für alle”, seinen “stillen erheiternden Naturgenuß für Arm und Reich” und “schönen Zweck einer wahren Volksbelehrung”. Dieser “Volksbildungsauftrag” gilt nahezu unverändert bis heute. Im Osten noch mehr als im Westen. Weswegen es dort eine Vielzahl von Anbindungen an Forschungseinrichtungen gab, und sogar die Pfleger-Ausbildung – erstmalig – wissenschaftlich geregelt wurde. Unterhalb dieses Bildungsauftrags hat sich demgegenüber der Westberliner Zoo, der seit dem Mauerbau immer enger ausgestaltet wurde, mehr und mehr zu einer rohen Volksvergnügungsstätte gewandelt, wo es um Attraktionen und unmittelbares Erstaunen geht. Wegen der Spielplätze und der vielen Besucher auf engem Raum (beide Anlagen verbuchen je eine Million Besucher jährlich) ist es laut und hektisch im Zoo, erst recht im Aquarium. Hinzu kommen noch die allzu vielen Tierplastiken. Anders als beim Tierpark Friedrichsfelde, lange Zeit der flächenmäßig größte der Welt, und beim Botanischen Garten, fühlt man sich nach einem Zoo-/Aquariums-Besuch nicht besser als vorher, im Gegenteil: eher mitschuldig. Im – wohl artgerecht für Pfleger mit Nirosta- Stahl und Kacheln eingerichteten – Menschenaffenhaus fragte ein Gorilla- Junges neulich schon seine Mutter: “Mama, wenn es kein Verbrechen ist, Gorilla zu sein, warum sind wir dann überhaupt eingesperrt?”

    P.S.: Die Proteste gegen die Verkleinerung des Tierparks hatten zunächst Erfolg. In den Aufsichtsrat wurde ein Ostler – Lothar de Maiziére – berufen. Außerdem wurde die Schlangenfarm in zwei Bauabschnitten weiter modernisiert. Mit Spenden und aus Landesmitteln. Aber dann – im Jahr 2002 – verkündet der Senat doch, unter Hinweis auf die angespannte Finanzsituation, dem Tierpark alle Mittel zu streichen. Seitdem werden sie alljährlich gekürzt – und die Diskussion um eine Zusammenlegung von Zoo und Tierpark erneut belebt.

    Aus der zoo-presseschau:

    WELT ONLINE – ‎30.10.2010‎
    Leserbriefe: Wir Tiergärtner
    zu: “Darf dieser Eisbär Geld verdienen?”

    Die Diskussion über Zoos wird schon seit mehr als einhundert Jahren geführt. Genau genommen seit Carl Hagenbeck seinen revolutionären Tierpark in Stellingen eröffnete, der übrigens bis heute ohne jährliche Subventionen auskommen muss. Bis dahin waren Zoos museale Sammelstätten für allerlei Getier. Was uns heute als “moderner Zoo” verkauft wird, ist nichts anderes als die konsequente Fortentwicklung der hagenbeckschen Idee. Nach der Definition des Verbandes deutscher Zoodirektoren sind Zoos: Stätten der Arterhaltung, der Forschung, der Bildung und der Erholung! Es steht jedem Zoodirektor frei, eine unterschiedliche Gewichtung dieser vier Punkte vorzunehmen. Allerdings wird so mancher Tiergärtner seine Position zur Attraktivität seines Gartens überdenken müssen, wenn die kommunalen Subventionen gekürzt werden. Das ist keine Glaubensfrage, und Grabenkämpfe gibt es unter den Tiergärtnern auch nicht.
    Dr. C. Claus Hagenbeck, Hamburg

    Aus “krone.at”:

    Geiermännchen im Zoo Münster hatten sich zu lieb.

    Ein männlicher Geier braucht nicht unbedingt ein Weibchen – ein anderes Männchen tut es auch. Zumindest waren zwei Gänsegeier im Allwetterzoo in Münster dieser Meinung: Monatelang bauten die turtelnden Männchen an einem gemeinsamen Nest. Doch damit ist jetzt Schluss! Die beiden “schwulen” Geier wurden getrennt.

    Besonders geschickt waren die beiden 14 Jahre alten Vögel, “Guido” und “Detlef” beim gemeinsamen Nestbau sowieso nicht. “Sie haben sich immer das Nistmaterial klauen lassen”, erklärte eine Sprecherin des Zoos.

    Tierpark Berlin, 03.11.10

    100 Jahre Heinrich Dathe: Öffentliches wissenschaftliches Symposium erinnert an das Wirken des Gründers vom Tierpark Berlin
    Am 7. November 2010 wäre der Gründer und langjährige Direktor vom Tierpark Berlin, Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Dathe, 100 Jahre alt geworden.

    Aus diesem Anlass findet am 5. November 2010 ein ganztägiges öffentliches Symposium in der Staatsbibliothek zu Berlin in der Potsdamer Straße 33 statt. Von 9 Uhr bis 18 Uhr werden Wissenschaftler, Historiker und ehemalige Wegbegleiter von Heinrich Dathe das vielfältige Wirken des bis heute bekannten Zoologen beleuchten. Dieses Symposium ist öffentlich und findet im Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek statt. Das Symposium wird von der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie e. V. und der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz in Kooperation mit dem Tierpark Berlin und der Fördergemeinschaft von Tierpark Berlin und Zoo Berlin e. V. sowie der Natur und Text in Brandenburg GmbH organisiert. Die Staatsbibliothek zu Berlin eignet sich als Ort des Dathe-Nachlasses und zentrales Forum in der Hauptstadt hervorragend als Tagungsort.

    Der Zoo- und Tierpark-Direktor, Dr. Bernhard Blaszkiewitz, wird im Anschluss an das Symposium um 19 Uhr einen Vortrag zum Thema „Zwei Zoos in einer Stadt – Chancen und Perspektiven“ halten. Weitere Informationen zum Symposium: http://www.100-Jahre-Dathe.de

    Aus “spiegel online”:

    Beirut – Eine Tierschutzorganisation hat in einem libanesischen Zoo einen Schimpansen entdeckt, der zur Unterhaltung der Besucher Zigaretten rauchen musste. Nun wurde “Omega” in ein Heim im brasilianischen Sao Paulo gebracht. Das zwölfjährige Tier musste, als es jung war in einem Restaurant Wasserpfeifen servieren und Zigaretten rauchen. Die vergangenen zehn Jahre verbrachte der Affe in einem Zoo in dem Dorf Ansar im Südlibanon. Dort behielt er seine schlechte Angewohnheit bei und rauchte die Zigaretten, die ihm Besucher in den Käfig warfen.

    “Der Schimpanse ist ein regelmäßiger Raucher”, sagte der Direktor der Tierschutzorganisation Animal Lebanon, Jason Meier. “Wenn ihm jemand eine Zigarette hinwirft, raucht er sie.” Die Tierschutzorganisation arbeitet seit sechs Monaten gemeinsam mit dem Betreiber an der Schließung des Zoos und sucht nach neuen Unterkünften für die Tiere. Sieben Paviane, eine Hyäne und mehrere Vögel sollen nun im Libanon ein neues Zuhause finden.

    Aus der letzten Zoopresseschau:

    1. Westfälische Nachrichten – 04.11.2010

    “Elefantenzucht ist kein kommunales Kerngeschäft”

    Münster. Die Haushaltsberatungen der Parteien biegen auf die Zielgerade ein. Und immer deutlicher treten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zutage. Nach neuestem Stand dürfte der von Zoo-Direktor Jörg Adler favorisierte Elefantenpark deutlich kleiner ausfallen. Denn die SPD fährt in dieser Frage einen restriktiven Kurs, wie es deren Fraktionsvize im Rat, Michael Jung, selbst nennt. „Elefantenzucht ist kein kommunales Kerngeschäft“, erläutert Jung in Sachen Elefantenpark die Position seiner Fraktion.

    Diese will nur eine kleine Lösung, sprich einen Ausbau des Elefantengeheges für maximal 2,5 Millionen Euro, um die weitere Haltung der Dickhäuter sicherzustellen. Dafür soll aber kein städtisches Geld verwendet werden und so wenig wie möglich aus dem Topf der Sparkassen-Überschüsse fließen. Wie ein Kompromiss mit der CDU in der ElefantenparkFrage aussehen könnte, ist zur Stunde völlig offen. Erst vor Kurzem hatten sich die Christdemokraten für eine 4,6 Millionen-Euro-Lösung ausgesprochen, die zugleich den weiteren Zuchtbetrieb hätte gewährleisten sollen.

    2. Schweriner Volkszeitung – 05.11.2010

    Stadt stimmt Darwineums-Plänen zu

    Rostock. Ab 2012 soll eine Tropenhalle mit Innen- und Außenanlage den Rostocker Menschenaffen eine neue Bleibe bieten. Außerdem beinhaltet das 25 Millionen Euro-Projekt eine Ausstellung zur Evolution, einen Souvenirladen und Gastronomieeinrichtungen. Die Gäste reisen zu Beginn durch eine Zeitschleuse bis zur Entstehung des Planeten Erde zurück und lernen die Entwicklung der Menschheit kennen. Dabei treffen sie unter anderem auf die Menschenaffen Assumbo, Sunda, Ejde, Sabas und Shiwa.

    3. Berliner Kurier – 08.11.2010

    Endlich wehrt sich Knut

    Berlin. Tja, liebe Eisbär-Damen, jetzt ist Schluss mit Knut-Mobbing. Denn der Dreijährige hat die weiße Schnauze voll, setzt sich gegen Tosca (24), Nancy (21) und Katjuscha (24) zur Wehr. Endlich! So schnell kann’s gehen.

    4. rijnmond.nl – 10. Nov. 2010

    ‘Rotterdam draait zelf op voor bezuinigingen Blijdorp’

    “Rotterdam selbst steht gerade für die Einsparungen von Blijdorp”
    Die Stadt Rotterdam kann selbst die Rechnung präsentiert kriegen für die massiven Einsparungen im Tiergarten Blijdorp. Das geht aus einer Untersuchung von RTV Rijnmond hervor. In den 1990er Jahren hat die Stadt Rotterdam gebürgt für eine Millionenanleihe für das Auffrischen des Zoos. Wenn die Einsparungen stattfinden, ist es gut möglich, dass Blijdorp seinen finanziellen Verpflichtungen für das Abbezahlen des Kredits nicht nachkommen kann und dann steht Rotterdam doch noch dafür gerade. Jährlich geht es um einen Betrag von 4,6 Millionen Euro. Alt-Direktor Ton Dorresteijn vom Tiergarten Blijdorp nennt das ein realistisches Szenario. Laut Dorresteijn hat der Zoo ganz wenig Spielraum, um kurzfristig Millionen einzusparen. Der größte Teil des Jahreshaushalts von 22 Millionen Euro wird gebraucht für feste Ausgaben. Rigoros einsparen könne man nur, wenn man einen Publikumsmagneten wie das Oceanium schließt, sagt Dorresteijn. “Aber das ist ein schlechtes Szenario für den Zoo, dann fallen auch die Besucherzahlen. Das will man ja auch nicht.”

    5. telegraaf.nl – 9. Nov. 2010

    Noodlijdend dierenpark weigert geld
    Hilfsbedürftiger Tierpark lehnt Geld ab

    Emmen. Der Tierpark Emmen nimmt die Einnahmen der Aktion “Zoo für einen Tag”, die am 3. November in Hoogeveen stattfand, nicht an. Der Tierpark ist nicht glücklich mit der Art und Weise, in der das Geld eingesammelt wurde. So wurde ein Circustier eingesetzt und es konnte auf exotischen Tieren geritten werden. “Das paßt nicht in die Konzeption des Tierparks”, ließ ein Sprecher des Tierparks Emmen wissen.

    Aus “spiegel-online”:

    Problem-Paviane und Pleite-Tiger

    Von Felix Rettberg

    Erst verwahrlost, dann schwer vermittelbar: Jedes Jahr schließt in Deutschland mindestens ein Tierpark. Doch die Tiger, Paviane und Waschbären will dann kaum jemand haben. So wurden schon Löwen an eine Farm in Afrika verkauft, die Jagden für gutbetuchte Kundschaft anbietet.

    Und das Problem könnte sich noch verschärfen. “Derzeit wird an neuen Vorgaben gearbeitet, die vorsehen, dass Zootieren in ihren Gehegen endlich mehr Platz zur Verfügung stehen wird”, so Laura Zimprich, Vorsitzende des Tierschutzvereins “Animal Public”. . Die Folge dieses eigentlich löblichen Vorstoßes könnte aber sein, dass noch mehr Zoos geschlossen werden.”

    Und wohin dann mit den Tieren?

    “Ein Grund, warum andere Zoos und Tierparks den Exoten kein Asyl bieten: Häufig fügen sich die fremden, oft greisen Tiere nicht in die eigenen penibel abgestimmten Zuchtprogramme. So auch im Fall Kalletal (wo ein privater Zoobesitzer pleite ging): “Sie passen weder genetisch noch demographisch”, sagt Dr. Lesley Dickie, Geschäftsführerin des Europäischen Zoobands (EAZA), der solche Programme organisiert.

    Außerdem gilt auch für Zoos und Tierparks: Sie sind Unternehmen. Sie sind auf Attraktionen angewiesen. Ein knuddeliger Knut begeistert die Massen, ein zotteliger Tiger erregt nur noch Mitleid. So sind es am Ende fast ausschließlich Tierschutzorganisationen, die die Exoten davor bewahren, getötet zu werden. Weltweit nutzen sie ihre Netzwerke, suchen nach Möglichkeiten, die Tiere doch noch in Reservaten oder privaten Stationen unterzubringen. “

    Der obige Eintrag begann mit der Erwähnung des Modernisierungsplans einiger Westberliner Verwaltungsbeamte für den West-Zoo und den Ost-Tierpark (zusammen bilden sie die größte und artenreichste Zurschaustellung von Tieren). Den Plan zu ihrer Vergnügungspark-Umgestaltung konnte der Direktor beider Einrichtungen jedoch erst einmal abwehren. Als nächstes kam heraus, dass der Ostberliner Tierpark jährlich über eine Million Euro Schulden macht.

    Nun hat sich der ehemalige CDU-Regiermeister Eberhard Diepgen eingeschaltet – vielleicht wurde er auch von den Verwaltungsbeamten und einer Riege Westberliner Immobilienentwickler eingeschaltet. Jedenfalls ließ der jetzige Anwalt verlauten, er werde für den Tierpark Geld sammeln – mit einer Stiftung. Seine Springerpresse schrieb:

    Die neue Stiftung für Zoo und Tierpark soll noch in diesem Dezember gegründet werden. Die Vorbereitungen sind fast abgeschlossen. Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) wird den Vorsitz übernehmen. Er kennt die große Herausforderung: „Wir brauchen besondere Maßnahmen, um die Attraktivität des Tierparks zu erhöhen.“ Dafür braucht man das Geld der neuen Stiftung ‘Freunde der Hauptstadtzoos’.

    Berühmt-berüchtigt ist schon seit langem der “Verein der Freunde der Nationalgalerie” von fast mehrheitlich Westberliner Immobilienentwicklern. Soll in bezug auf den Tierpark jetzt Ähnliches ins Leben gerufen werden?

    Die Morgenpost erklärt:

    Aktuelle finanzielle Probleme hat der Tierpark, trotz jährlicher Zuschüsse von mehr als sieben Millionen Euro. Denn während den Zoo im Jahr mehr als drei Millionen Menschen besuchen, kommen zu der Anlage in Friedrichsfelde im Bezirk Lichtenberg lediglich eine knappe Million Besucher. Das hat Folgen für die Finanzen. Der Tierpark wird laut Wirtschaftsplan in diesem Jahr ein Minus von 1,6 Millionen Euro machen. Im nächsten Jahr wird das Jahresdefizit bei 1,5 Millionen Euro liegen.

    Sodann darf Diepgen noch mal zu Wort kommen:

    „Für den Tierpark muss es Attraktionen auch im zoologischen Bereich geben“, sagte Diepgen. Er verwies darauf, wie der Zoo das Eisbärenbaby Knut vermarktet hat. „Knut war das Ergebnis von Glück, Zufall und Professionalität“, sagte der ehemalige Regierende Bürgermeister. Man dürfe aber keine falsche Konkurrenz zwischen Zoo und Tierpark aufbauen. Auch hier soll ein neues Konzept mit einer anderen Ausrichtung des Tierparks helfen.

    Diepgen schlug auch vor, auf lange Sicht die Rechtskonstruktion beider Institutionen zu verändern. Denn der wirtschaftlich gut dastehende Zoo kann aufgrund seiner Konstruktion als Aktiengesellschaft (AG) den Tierpark, der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) fungiert, nicht direkt finanziell unterstützen. Bisher gibt es eine enge Verzahnung beim Personal und der Verwaltung der Einrichtungen. „Dieser Prozess muss vorangetrieben werden“, sagte Diepgen.”

    Auf “spreeradio.de” kam zu diesem Diepgen-Vorstoß noch einmal der Direktor beider Einrichtungen zu Wort, im Zusammenhang einer Stellungnahme der Zoo-Expertin der Grünen, Claudia Hämmerling, die nicht müde wird, Kritik an der Politik des Zoo/Tierpark-Direktors zu äußern:

    Die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte die Missverhältnisse bei Besucherzahlen und Förderung zum Anlass genommen, den Zoo-Chef und Senat zu grundlegenden Veränderungen im Tierpark aufzufordern. Der Landschaftszoo im Ostteil müsse attraktiver als Themen- und Spaßpark für Familien werden. Außerdem müsste in beiden Zoos die Zahl der Tiere schrumpfen. Berlin biete unnötigerweise viel zu viele Tierarten doppelt an, was zusätzlich Geld verschlinge, sagte die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling.

    Dem hielt Blaszkiewitz bei der Vorstellung seines neuen Buches («Ein Zoodirektor auf Reisen») die Tradition und das Konzept der «klassischen Zoos» entgegen. Blaszkiewitz sagte: «Tiere halten und den Menschen zeigen, das ist der eigentliche Zweck». Bei der Debatte um moderne Themen- und Spaßparks dürften «nicht die Tiere ersetzt werden».

    Indirekt gab Blaszkiewitz erneut zu erkennen, dass ihm der anhaltende Rummel um Eisbärstar Knut (seit Sonntag 4) fremd geblieben ist. Sein Buch mit Beschreibungen von 25 Zoos weltweit enthält nur einen Satz «Hier kam 2006 auch Knut zur Welt!» und kein Bild über den Publikumsmagneten und Geldbringer des Zoologischen Gartens.

    Die öffentliche Debatte um die Kritik an der Tierhaltung – im Zentrum Knut – sowie wiederholte Rücktrittsforderungen scheinen dennoch Wirkung zu haben. Erstmals in dieser Form wandte sich Blaszkiewitz an die Presse: «Schreiben Sie nicht immer, was für ein böser Mensch der Zoo-Direktor ist. Ich kann mir nicht jedes Jahr von meinen Schimpansen einen Finger abreißen lassen, um eine gute Presse zu erhalten.»

    Es gibt im Osten bereits einen Verein der Freunde des Tierparks. Er trat in Erscheinung, als die Schlangenfarm in den Westzoo überführt werden sollte – und es galt, dies zu verhindern. Nach den Protesten gelangte damals der CDUler und Rechtsanwalt Lothar de Maiziere in den gemeinsamen Aufsichtsrat beider Einrichtungen. Nun gibt es aus dem Westen im Osten einen neuen Verein – der “Freunde der Hauptstadtzoos”, der wie erwähnt Geld zur Attraktivierung des Tierparks sammeln will. Der erste Verein ist eine Initiative von unten, d.h. von Ostberlinern, die einst sich am Aufbau des Tierparks praktisch beteiligten. Der zweite Verein ist dagegen eher eine CDU-Initiative von oben.

    Die “perspektive-mittelstand.de” schreibt:

    Für die Gründung der Stiftung werden engagierte Personen und Institutionen gesucht, die sich mit dem Zoo und mit dem Tierpark identifizieren. „Wir benötigen noch weitere Spenden für die Gründung der Stiftung. Jede noch so kleine Spende für die Stiftung ist eine gute Tat für die Ewigkeit!“, so Thomas Ziolko, Vorsitzender vom Förderverein von Tierpark und Zoo.

    Die Initiative zur Gründung der Stiftung zur Förderung der Hauptstadtzoos kam von den Freunden der Hauptstadtzoos, die vor dem Hintergrund der sinkenden Zuwendungen vom Land Berlin für die Hauptstadtzoos den Anstoß gaben.

    - Thomas Ziolko war von 1991 bis 1996 Vorsitzender der Jungen Union Lichtenberg. Auch nahm er für die CDU verschiedene Mandate war: 1992 bis 1995 Bezirksverordneter, 1995 bis 1999 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und von 2001 bis 2004 Fraktionsvorsitzender der CDU-Lichtenberg. Im Jahre 2005 wechselte er den Kreisverband und wurde Mitglied der CDU-Wuhletal im Bezirk Marzahn-Hellersdorf, wo er seither Mitglied des Kreisvorstandes und im Ortsvorstand der CDU-Biesdorf ist.

    - Der Verein “Freunde der Hauptstadtzoos” hat als Vorsitzenden Thomas Ziolko, seine Webseite heißt: “165 Jahre Zoo.de”. Dort schreibt der Verein:

    Die Freunde Hauptstadtzoos sind der offizielle Ansprechpartner in der Förderung der Hauptstadtzoos. Sie ermöglichen ihren über 1.200 Mitgliedern die aktive Teilhabe an der Entwicklung von Zoo Berlin, Zoo-Aquarium und Tierpark Berlin. Die Hauptstadtzoos werden durch die Fördergemeinschaft von Tierpark Berlin und Zoo Berlin e. V. ideell und materiell gefördert. Es wurden in den letzten Jahren über 1 Million Euro den Hauptstadtzoos übergeben.

    Die Fördergemeinschaft von Tierpark Berlin und Zoo Berlin e. V. finanziert in diesem Jahr den Umbau der Anlage für Schleichkatzen im Zoo Berlin und im Tierpark Berlin die Sanierung der Schlangenfarm. Nehmen der finanziellen Förderung nimmt vor allem die ideelle Förderung der Hauptstadtzoos einen Hauptanteil der ehrenamtlichen Arbeit ein. Insgesamt werden durch die Freunde Hauptstadtzoos über 520 Stunden pro Woche ehrenamtlich in die Förderung investiert. Durch die ehrenamtliche Struktur ist es möglich, dass Hundert Prozent der Spenden in die Hauptstadtzoos fließen.

    Heute meldete die BZ ganz groß einen neuen Vorstoß des Westberliner Polit-Immobilien-”Netzwerks” auf den Ostberliner Tierpark:

    “Finanzsenator Nußbaum stellt Zoo/Tierpark-Direktor Blaszkiewitz Ultimatum”

    Nach einem offiziellen Rundgang dieses Finanzsenators durch den Friedrichsfelder Tierpark zusammen mit dem Direktor, wo ersterer einen Esel streichelte (für den BZ-Photographen), verlangte Nußbaum von Blaszkiewitz bis Mitte 2011 die Vorlage eines “Konzepts” – darüber, wie sich bis 2020 die Besucherzahlen des Tierparks verdoppeln lassen, dazu gehört ein “neues Marketing”. Die 1,6 Millionen Euro Miese jährlich müssten schnellstmöglichst abgebaut werden.

    Die BZ vergaß nicht hinzuzufügen, dass bereits mehrere Politiker Blaszkiewitz’ Rücktritt als Direktor der beiden Einrichtungen gefordert haben. Denn er fühlt sich anscheinend nach wie vor eher der Datheschen Wissenschaftskonzeption (Ost) als der Klösschen Amüsierpark-Idee (West) verpflichtet.

    Vielleicht geht es aber am Ende nur noch darum, den Tierpark, einst der größte Zoo der Welt, zu einem kleinen “Hirschgarten” zu schrumpfen , wie Dathe bereits befürchtet hatte kurz nach der Wende. Und sodann aus dem Rest der Friedrichsfelder Anlage (mit allem drum und dran etwa 200 Hektar – 2 Millionen Quadratmeter) ein neues Immobilien-Entwicklungsgebiet zu machen.

    Was für ein Fitti dieser unser Finanzsenator ist, kann man bereits seiner offiziellen Politbiographie entnehmen:

    - Abitur an der Internatsschule St. Bernhard in Willich
    - Studium der Rechts- und Politikwissenschaften an den Universitäten Saarbrücken, Genf, Straßburg und London
    - Promotion zum Dr. jur. über Rohstoffgewinnung in der Antarktis mit dem Abschluss “summa cum laude”
    - Zweites juristisches Staatsexamen in Saarbrücken
    - Persönlicher Referent des Geschäftsführers der Firma Flamingo-Fisch GmbH & Co. KG in Bremerhaven
    - Im Anschluss Übernahme diverser Führungspositionen in den Bereichen Verwaltung, Finanzen und Handel
    - Gesellschafter der SLH Sea Life Harvesting Gruppe
    - Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer, Bremerhaven
    - Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen
    - Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer, Bremerhaven
    - Senator für Finanzen in Berlin

    In Summa (cum laude): ein rechter karrieristischer Unsympath, dem jede Schweinerei zuzutrauen ist. Das Vermischen und Vermantschen von Politik und Wirtschaft ist ihm jedenfalls zur Zweiten Natur bereits geworden. Wir bemühen uns, dazu weitere Informationen aus dem SPD-Doppelsumpf “Bremen/Bremerhaven” einzuholen.

    Aus der Zoopresseschau von gestern:

    Neues Deutschland – 09.12.2010

    Tierpark soll kein Disneyland werden

    Es ist eine Phantomdebatte – jedenfalls noch. Denn nach dem Abschied Thilo Sarrazins (SPD) als Finanzsenator fordert inzwischen niemand mehr ernsthaft, den Tierpark in Berlin-Friedrichsfelde zu schließen, damit es in der Hauptstadt nur noch einen zoologischen Garten gibt. Doch die jüngst bekannt gewordenen hohen Verluste des Tierparks von 1,6 Millionen Euro allein dieses Jahr geben der Sorge Nahrung, dass die Debatte um die beiden Hauptstadt-Zoos wieder aufflammen könnte.

    Alles in allem Grund genug für die Lichtenberger Linkspartei, für den Tierpark Farbe zu bekennen. Mit einem Antrag fordert die Partei deshalb jetzt eine langfristige Sicherung der zoologischen Institutionen. Im Rahmen einer Zukunftswerkstatt sollen demnach im Mai 2011 gemeinsam mit der Bevölkerung Ideen entwickelt werden, wie die Attraktivität des Tierparks erhöht werden kann.

    Ohne der Debatte etwas vorwegnehmen zu wollen, hat die LINKE einige Punkte zusammengetragen: Neben Hinweisen auf den Tierpark im Straßenbild zählen dazu eine Verbesserung des Marketing- und des Veranstaltungskonzepts. Generell möchte man die Angebotsqualität heben.

    (Was zum Teufel meint die LINKE denn mit “Angebotsqualität” beim Tierpark?)

    Dass Film und Fernsehen immer mehr Tiere verlangen schlägt sich bereits in deren Honoraren nieder:

    Von “theakademie.de” kam dazu jetzt folgende Mail:

    Liebe Schauspieler, das dürfte besonders interessant sein!

    Appell gegen Lohndumping

    Liebe Kollegen, liebe Agenten,

    pro Drehtag kostet

    eine Kuh mindestens 450 €,
    eine Katze mindestens 400 €,
    ein Hund mindestens 350 €,

    und wir fragen uns: Sind wir nun endgültig auf den Hund gekommen?

    Zurzeit werden für eine Polizeiserie Profi-Schauspieler gesucht, die
    (nicht verhandelbar) 350 € pro Drehtag bekommen sollen. Dies ist nur
    eines von vielen hundeelenden Angeboten, die in letzter Zeit uns
    Schauspielern gemacht werden: Selbst für renommierte Produktionen mit berühmten Regisseuren wurden Schauspieler engagiert, die teilweise weniger als 350 € pro Drehtag verdienten.

    Das witzige Bonmot — “wer mit Bananen bezahlt, muss mit Affen
    arbeiten!” — kann uns da nur halbwegs erheitern; denn Affen werden
    besser vergütet (nicht unter 1500 €) als viele von uns. Nein, die Lage
    wird immer ernster!

    Die Produzentenallianz und der BFFS werden in Kürze
    Sondierungsgespräche führen mit dem Ziel, in Tarifverhandlungen zu
    treten. In dem Rahmen wollen wir verbindliche Regelungen über die
    “angemessene Vergütung” der Schauspieler bei Film und
    Fernsehproduktionen treffen.

    Aus unserer Sicht wird bei den Verhandlungen neben anderen
    wesentlichen Aspekten einer angemessenen Vergütungsstruktur — wie z.
    B. der Abkehr vom Buyout –, selbstverständlich auch ein Sockelbetrag
    eine wichtige Rolle spielen, der von Produzentenseite bei der
    Vergütung von Schauspielern nicht unterschritten werden dürfte. Diese
    Untergrenze ist für Schauspieler nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht
    notwendig, sondern auch eine Frage der Achtung vor unserem Beruf. Und
    natürlich kann eine Schauspielergage nicht als “angemessen” bezeichnet werden, wenn sie noch spärlicher ausfällt als die eines Hundes am Set.

    Je mehr sich aber im Vorfeld der Tarifauseinandersetzung die Fälle
    häufen, in denen Schauspieler mit 350 € pro Drehtag (und weniger)
    abgespeist werden und ihre Agenten dies unter dem massiven Druck
    resignierend zulassen (müssen), desto mehr werden die angestrebten
    Verhandlungen belastet, eine angemessene Untergrenze einzuführen, die das Prädikat “angemessen” auch verdient.

    Wir vom BFFS wissen sehr genau: Die ganze Branche ächzt, immer weniger Produktionen werden mit immer geringeren Budgets in Auftrag gegeben.

    Schauspieler wollen spielen und warten sehnsüchtig auf eine Chance,
    ihr Können unter Beweis zu stellen — ungeachtet der Bezahlung. Manch
    einer von uns hat seit längerer Zeit nicht mehr gedreht und ist
    verzweifelt.

    Aber 1470 Kollegen von ca. 4500 Film- und Fernsehschauspieler sind dem BFFS beigetreten und haben ihn zum mitgliedstärksten Berufsverband unserer Branche gemacht, weil sie sich nicht mehr alles gefallen lassen wollen. Der hohe Organisationsgrad hat den BFFS überhaupt erst tariffähig gemacht und wir versprechen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, Schauspieler, Agenten und die ganze Branche vor
    unwürdigem Dumping zu schützen. Wir müssen durch Tarifverhandlungen unbedingt die Erpressung der notleidenden Kollegen verhindern, ihre professionelle schauspielerische Arbeit für “Hundegagen” und darunter an ausgewachsene Sender zu verhökern. Denn die Erfahrung zeigt ja leider, dass einer Erpressung die nächste folgen wird.

    Darum appellieren wir an Euch, liebe Schauspieler: Resigniert bitte
    nicht, keiner von uns sollte dazu verdammt sein, auf hundeelende
    Angebote von 350 € pro Drehtag und niedriger einzugehen — auch wenn
    die Not und der Spieltrieb noch so groß sind.

    Und Sie, liebe Agenten, tragen eine besondere Verantwortung, die
    Schauspieler, an die Sie ja glauben, auch zu schützen und sie nicht in
    solch unsittlichen Engagements verbrennen zu lassen.

    Bitte, liebe Schauspieler und liebe Agenten, boykottieren Sie
    Dumpingangebote und helfen Sie mit, dass auch Ihre Kollegen nicht
    endgültig auf den Hund kommen!

    Mit vielen kollegialen Grüßen
    (und Ihr, liebe Hunde, nichts für ungut ;-)

    Der BFFS-Vorstand

    P.S. Sendet uns bitte solche Dumpinganfragen an: aufdenhundgekommen@bffs.de
    .

    Artikel “Appell gegen Dumping” als PDF herunterladen

    Letzter Eintrag 2010 – ein Zoobesuch nach Weihnachten (taz.v. 28.12.):

    Still und verschneit liegt er da, der Tiergarten am Schmausenbuck im hinterletzten Winkel Nürnbergs. Ein Zipfel Reichswald trennt den Zoo, der im Mai 1939 seiner Bestimmung übergeben wurden, vom ehemaligen Reichsparteitagsgelände. An Frühlingssamstagen kann man die Fans des 1. FC Nürnberg vom Stadion herüberbrüllen hören, manchmal vor Freude, oft vor Schmerz. Aber jetzt ist Winterpause, “die stade Zeit” heißt das in Bayern, “zwischen den Jahren” auf Hochdeutsch.

    Und im Tierpark ist nur das Knirschen der einsamen Besucher auf Neuschnee und das Malmen der Schottischen Hochlandrinder zu hören. “Gell, dä Zottel, vor sexädreißg Joar hams schomal so an khabt”, sagt eine Besucherin, die wahrscheinlich auch schon als kleines Mädchen bei der Einweihung dabei war. Sie nickt dem Rindvieh sachkundig-vertrauensvoll zu, das sich Heu aus der Raufe holt und einen Schluck Highland Park genehmigt. Genau das Richtige bei dieser Kälte.

    Vom Zebra kann man an diesem Tag nur die schwarzen Streifen sehen. Immer noch müssen Jahr für Jahr tausende der edlen Tiere sterben, damit sichere Fußgängerüberwege angelegt werden können. Ganz Afrika wurde in den vergangenen Jahrhunderten leergeräumt. Die Nachzuchtprogramme sind da nur Kosmetik.

    Insgesamt reagieren die Tiere sehr positiv auf ihre winterlichen Besucher. Sie spüren, unter welch seelischer Anspannung sich viele von ihnen befinden. Liebeskummer, die falschen Geschenke und Verdauungsprobleme führen die meisten hierher. Entsprechend einfühlsam benehmen sich die Tiere. Die Pinguine scheißen pausenlos in ihr Badewasser, die im Eis festgefrorenen Wasservögel singen klagende Weisen, der Kondor spreizt einladend die Flügel. Flora und Fauna laden die geplagte Großstadtseele ein, innezuhalten im Lärm der Zeit.

    Die Tiere der kalten Lebenszonen kommen jetzt besonders gut zur Geltung, die Schneeleoparden, Geschenke des Krakauer Zoos, die Wölfe, Bisons und Wisente, die stoisch ruhen wie vor 20.000 Jahren, bevor der weiße Mann kam und sie einsperrte.

    Verwaist liegt da das Affenhaus. Wo früher Gorillas sich fröhlich in Autoreifen verbissen und mit Exkrementen bewarfen, ist heute alles ganz still. Ein Pfleger klärt auf: “Die Affen sind alle in der Brienner Straße in München im Vorstand der Bayerischen Landesbank.” Eine kontroverse Maßnahme, die sofort Tierschützer auf den Plan rief: Die schlechte Luft im Konferenzsaal, die langen Sitzungen, die stark gesalzenen Nüsschen, all das widerspräche einer artgerechten Haltung.

    Aber zuverlässiges Personal sei schwer zu bekommen, heißt es aus der Landeshauptstadt, und die Gorillas Fritz, Hakuna Matata und Bianka seien mit großem Ernst bei der Sache. Schließlich geht es um Steuergelder, also letztlich auch um die Ausstattung des Tiergartens. So eine Aufgabe darf man nicht in die falschen Hände geben. So ist im Affenhaus derzeit nur heimisches Holz zu sehen, dessen mächtige Balken durch ein paar heimische Tropenfische aufgelockert werden.

    Viele Zoos setzen seit Jahren verstärkt auf die Betonung der lokalen Besonderheiten. Man will kein Großwildgemischtwarenladen mehr sein, sondern eine Zucht- und Brutstätte mit einem individuellen Profil. Kein Wunder, dass sich gleich neben dem Affenhaus die Baustelle für die riesige Freilandlagune des Delfinariums befindet, die an die große Tradition mittelfränkischer Meereslebewesen anknüpfen soll. Schließlich waren weite Teile Bayerns im Jura, vor gerade mal 160 Millionen Jahren, ein tropischer Ozean. Einst zog hier der Ichthyosaurier majestätisch seine Bahn, in Zukunft sollen sich hier Große Tümmler tummeln.

    Der Rest des Tiergartens wird bis zur geplanten Eröffnung im Juni 2011 aus Kostengründen systematisch gedownsized. Statt sperriger Nilpferde gibt es jetzt handliche Pfeilgiftfrösche in modischen Neonfarben zu sehen. Aus dem Elefantenhaus ist ein Dickhäuterhaus geworden, das nur noch Nashörner beherbergt, weil das Gebäude nicht der EU-Richtlinie für artgerechte Elefantenhaltung entspricht. Sage noch einer, die EU wäre überflüssig. Wer seinen Kindern zu Weihnachten einen der kleinen possierlichen Dickhäuter geschenkt hat, findet hier wichtige Pflichtlektüre, die die Beratung im Fachgeschäft dennoch auf keinen Fall ersetzen kann.

    Schritt für Schritt werden alle Ressourcen in die Lagune investiert, damit der Tiergarten Nürnberg als erste Adresse für Wirbellose, Kerbtiere und Delfine mit einem klaren Profil im Konzert der Großen mitspielen kann. Nicht nur Böhmen, auch Franken liegt am Meer. Zwar ist die Lagune, die etwa dreimal so groß ist wie das Kolosseum in Rom, drei bis sechs Monate im Jahr für Delfine unbewohnbar, aber der Hauptsponsor Käpt’n Iglo feilt wahrscheinlich bereits an einer Marketingstrategie, bei der erfrorene Meeressäuger zwischen Eisschollen Hunger auf Fischstäbchen machen. (Rob Alef)

    Über Tierschutz und Planungskosten äußerte sich kürzlich der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) im Spiegel:

    Posch: Seit etwa fünf, sechs Jahren greifen europäische Natur- und Artenschutzregelungen wie etwa die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Die wurden gewissermaßen auf das deutsche Naturschutzrecht draufgesattelt, mit teilweise absurden Folgen.

    Gut ein Fünftel von Hessen ist zum Beispiel heute nach EU-Recht Schutzgebiet. Wenn wir eine Straße bauen, müssen wir sie irgendwie zwischen den Schutzgebieten hindurchschlängeln. Da kommen dann Trassen heraus, wie man sie sich als Planer kaum wünscht.

    Spiegel: Dafür aber hoffentlich solche, die die Umwelt schonen.

    Posch: Wenn es doch so wäre. In Nordhessen bauen wir zum Beispiel seit vielen Jahren an einer Autobahn von Kassel nach Eisenach, der A 44. Auf vier Bäumen, die auf unserer geplanten Trasse liegen, wurden Quartiere der Bechstein-Fledermaus entdeckt. Wäre dort ein Bauernhof, könnten wir den Besitzer enteignen. Aber das Heim der Bechstein-Fledermaus steht unter besonderem Schutz.

    Nach EU-Recht müssen wir prüfen, ob es eine Alternativtrasse gibt. Die gibt es natürlich, nämlich den Ausbau einer Bundesstraße durch den benachbarten Ort. Aber den wollten wir durch die neue Autobahn ja gerade entlasten. Das heißt, dass wir nun möglicherweise den Anwohnern eine 6,50 Meter hohe Lärmschutzwand vor die Nase setzen, weil wir genau vier Bäumen mit Fledermäusen ausweichen müssen.

    Ich könnte Ihnen Dutzende solcher Fälle nennen. Wir nehmen in Hessen derzeit bei etwa 20 Straßenbauprojekten besondere Rücksicht auf die Lebensräume der Feldlerche. Ein Gutachter hat uns bescheinigt, dass Verkehrslärm von mehr als 49 Dezibel sich nachteilig auf das Wohlbefinden und Brutverhalten von Vögeln auswirken könnte. Menschen müssen nach geltender Rechtslage dagegen bis zu 62 Dezibel ertragen.

    Spiegel: Menschen können sich vor Gericht gegen Belastungen wehren, Tiere nicht.

    Posch: Für mich setzt das EU-Recht die Prioritäten falsch. Überall in Deutschland warten Anwohner auf Umgehungsstraßen oder Lärmschutz. Stattdessen bauen wir für Millionenbeträge Grünbrücken für Wildkatzen, Dachse und Rehe.

    An der A 44 geben wir 50 Millionen Euro für einen Autobahntunnel zum Schutz von Kammmolchen aus. Ein Kammmolch ist ein von der EU geschütztes, aber in Hessen weitverbreitetes Amphibium. In der Nähe des geplanten Tunnels soll es etwa 5000 solcher Molche geben. Damit kostet uns der Artenschutz dort rund 10 000 Euro pro Molch.

    Auf der Geisteswissenschafts-Seite der FAZ ging es heute um das “Sich Reinversetzen” in eine andere Natur.

    Die Bremer Tierhistorikerin Mieke Roscher hatte auf einer Historikertagung in Hamburg ausgeführt, dass man die Tiere genauso erforschen könne wie schriftlose Ethnien oder marginalisierte Gruppen – und genauso auch als Individuen. Derzeit werden z.B. die Lebensläufe von Zoo- und Zirkustieren “rekonstruiert”.

    Es gehe dabei den Tierhistorikern auch darum, die “anthropozentrische Sicht” zu überwinden. “Wie, ja ob es überhaupt gelingen kann, sich in einen biologisch anderen Organismus zu versetzen, ist allerdings auch für Mieke Roscher eine der großen offenen Fragen,” schreibt der FAZ-Autor Wolfgang Krischke.

    Dies gelte “erst recht für die Tierwelt jenseits der Säugetiere, denen sich die Historiker bislang fast ausschließlich widmen. Hund, Pferd oder Elefant teilen mit dem Menschen immerhin noch grundlegende Empfindungen wie Angst, Lust oder Schmerz. Aber wie fühlt man sich als Ameise oder Bakterium zu sein? Ist nicht die Frage schon sinnlos?”

    Außerdem, so der in Hamburg lehrende Krischke, stoßen die Tierhistoriker auch deswegen auf Skepsis, weil “viele ihrer Vertreter mit der Tierbefreiungsbewegung verbunden sind”. Und sie somit, wenigstens in den Augen anderer Historiker, als wenig seriös gelten. Anders im angloamerikanischen Raum und in Frankreich. Erwähnt sei der Pariser Tierhistoriker Robert Delort und sein Buch “Der Elefant, die Biene und der heilige Wolf. Die wahre Geschichte der Tiere”.

    Der FAZ-Autor tut mit einer abschließenden Bemerkung das Seinige dazu, dass die Unseriosität der hiesigen Tierforscher erhalten bleibt:

    “Viele ihrer Vertreter sind mit der Tierbefreiungsbewegung verbunden, aus deren Umfeld die umstrittene Gleichsetzung der Massentierhaltung mit dem Holocaust stammt. Der linksintellektuelle Flügel dieser Bewegung, dem viele Tierhistoriker angehören, stellt den “Speziesismus” – die Diskriminierung der Tiere zugunsten der Menschen – in eine Reihe mit Rassismus, Sexismus und Antisemitismus.

    In anderen Bereichen der Tierbefreiungs-Szene geht die Tierempathie mit einem radikalen Antihumanismus einher, wird von einer drastischen Reduktion der Weltbevölkerung zugunsten der Natur phantasiert und eine Blut-und-Boden-Rhetorik gepflegt.

    Die Hoffnung der Tierhistoriker, dass ihre Forschung innerhalb des Fachs bald ebenso akzeptiert sein werde wie die früher gleichfalls misstrauisch beäugte Umweltgeschichte, dürfte so bald nicht in Erfüllung gehen.”

    Es gibt eine Art der Konzentration auf das Individuum, die diesem keine Chance gibt, da sie ihn von allen “formes de vie” (Lebensformen/-weisen) isoliert – sozusagen auf das “nackte Leben” reduziert hat: Sie – das ist der Weißkittel in seinem Labor mit dem Versuchstier.

    Heraus kommt dabei eine positive Anthropologie, die seit Hobbes pessimistisch gestimmt ist und heute ins pharmazeutisch Verwertbare drängt – was dann auch gerne “positives Denken” genannt wird.

    Beispiel von vorgestern:

    Liebe macht Meerschweinchen dümmer, so das Ergebnis einer Forschung von Biologen um Professor Ivo Machatschke vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien.

    Stress lässt als Paar gehaltene Tiere schlechter lernen als Singles Verliebtheit führt zu tiefgreifenden Veränderungen im Organismus, vor
    allem der Hormonhaushalt gerät aus den Fugen. Jetzt haben Forscher nachgewiesen, dass Liebe nicht nur blind, sondern offensichtlich auch „dumm“ macht – zumindest gilt dies für Meerschweinchen. In Labyrinth-Experimenten lernten als Paar gehaltene Tiere deutlich
    schlechter als Singles.

    Dafür produzieren die verliebten Meerschweinchen jedoch vermehrt das Liebes- und Glückshormon Oxytocin, betonen verschiedene Tageszeitungen, die diese Wiener Wissenschafts-Meldung aufnahmen.

    Das Leben der Wiener Meerschweinchen – ob in “Paaren” oder als “Single” – ist im Labor quasi von aller Umwelt abstrahiert worden. Reine Forschung!

    Dies läßt sich übertragen: Alle Leidenschaften und Wünsche sind uns ausgetrieben worden, bis auf den, sich zu verlieben, dabei das große Glück zu finden (oder darin zu suchen) und sich daraufhin zu Verpaaren.

    In der “Einführung in den Bürgerkrieg” von Tiqqun (wir erinnern uns: mit Hobbes “Leviathan” wurde er “pazifiziert”) heißt es zu dieser unserer heutigen Laborsituation:

    “In der ziemlich reichhaltigen Sammlung von Mitteln, welche der Westen bereit hält, um sie gegen jegliche Form von Gemeinschaft anzuwenden, findet sich eines, das ungefähr seit dem 12. Jahrhundert eine gleichermassen vorherrschende als auch über jeden Verdacht erhabene Stellung einnimmt: ich meine das Konzept der Liebe. Man muß ihm, über die falsche Alternative, die es jetzt allem aufzwingt (“liebst du micht oder liebst du mich nicht?”), eine Art ziemlich furchterregender Effizienz bezüglich dem Vernebeln, Unterdrücken und Aufreiben der hochgradig differenzierten Palette der Affekte und der himmelschreienden Intensitätsgrade, die beim Kontakt zwischen Körpern entstehen können, zugestehen. So half dieses Konzept mit, die gesamte extreme Möglichkeit der differenzierten Ausbildung der Spiele zwischen den formes-de-vie einzuschränken. Sicherlich schuldet die gegenwärtige Misere der Ethik, die als Art ständiger Erpressung zum Paar funktioniert, ihm eine ganze Menge.”

    An anderer Stelle des Tiqqun-Manifests heißt es: “Es genügt, sich in Erinnerung zu rufen, wie im Laufe des Prozesses der ‘Zivilisation’ die Kriminalisierung von allen Leidenschaften mit der Heiligsprechung der Liebe als einzige und einzigartige Leidenschaft, als der Leidenschaft par excellence einherging…Selbstverständlich gilt dies nur für das Wort und nicht für dasjenige, was sie unabsichtlich trotzdem hat stattfinden lassen…”

    P.S.:

    Indem die Bundesverfassung der Schweiz Tieren wie Pflanzen eine Würde zugesteht, hat sie über den Arterhalt hinaus (um z.B. den “Gen-Pool” nicht zu schmälern) den einzelnen Tieren und Pflanzen so etwas wie “Menschenrechte” (im Sinne der Französischen Revolution) eingeräumt. Es geht dabei um die Verbesserung ihrer Lebens- und Haltungsbedingungen – u.a. auch in den Zoologischen Gärten. So dürfen z.B. keine Herdentiere mehr einzeln gehalten werden. Das gilt für Pferde, Bison – und Meerschweinchen gleichermaßen, betonte die Schweizer Presse.

    P.P.S.:

    Neben Tiqquns Aufstandsanleitung gab es schon einmal eine “Negative Anthropologie” – von Ulrich Sonnemann. Der Kasseler Sozialphilosoph sprach dabei, ähnlich wie Günter Anders in Wien, von “Vorstudien zur Sabotage des Schicksals”. Der Spiegel schrieb 1969 über Ulrich Sonnemanns “negative Anthropologie” – unter der Überschrift “Unerwartetes tun”:

    Befreiung aus der Abhängigkeit von unbewußten Triebmechanismen — wie Freud laut Sonnemann formulierte oder von ehernen Gesetzen der Menschheitsgeschichte — wie Marx nach Sonnemann annahm — ist nur möglich, wenn die Menschen ein neues “utopisches” Bewußtsein verwirklichen, sich “anders” verhalten, “den Berechnungen sich entziehen, das Unerwartete tun”.

    Diese Möglichkeit, unvorhergesehen, “spontan” zu handeln, habe der Mensch durch seine “originäre Intelligenz”, die weder meßbar noch vorherbestimmbar noch manipulierbar sei. Ihre Wesenszüge sind die “Überraschung” und der “Durchbruch durch Schranken”. Solches spontanes, eine konkrete Situation reflektierendes Handeln ist laut Sonnemann nicht triebhaft-impulsiv, sondern intelligent und zugleich moralisch, weil es die “Einheit von Wahrheit und Wille”, von Theorie und Praxis intendiert.

    Von der Möglichkeit dieses Denkens und Handelns aus versteht Sonnemann seine “negative Anthropologie” als “Möglichkeit einer Macht im Geschehen”, als “Theorie des Engagements”. Im Unterschied zu den positiven Menschen- und Sozialwissenschaften, die den Menschen als berechenbares Objekt und sein Verhalten als voraussehbar behandeln, nennt Sonnemann seine Menschenlehre negativ, weil er den Menschen ausschließlich als “Möglichkeit” begreift, deren Verwirklichung noch aussteht.

    P.P.P.S.:

    Zum Begriff des “Bürgerkriegs” sei noch an eine Bemerkung Rosa Luxemburgs erinnert: Machen wir uns nichts vor, sagte sie, ich glaube zum sozialdemokratischen Bürgerkriegsverhüter Eduard Bernstein gewandt, der Bürgerkrieg ist nur ein anderes Wort für den Klassenkampf. Zuletzt fragte sich der französische Philosoph Michel Foucault – nur noch rhetorisch: “Was gibt es überhaupt in der Geschichte, was nicht Ruf nach oder Angst vor der Revolution wäre?”

    Bei “Tiqqun” heißt es nun:

    “Ich spreche vom Bürgerkrieg, um ihn auf mich zu nehmen, um ihn in Richtung seiner erhabensten Erscheinungsweisen auf mich zu nehmen. Das heisst: meinem Geschmack entsprechend.

    Kommunismus nenne ich die reale Bewegung, die überall und jederzeit den Bürgerkrieg zu zunehmend elaborierter Beschaffenheit vorantreibt.” An anderer Stelle ist in diesem Zusammenhang auch von “einer gewissen Ethik des Bürgerkriegs” die Rede.

    P.P.P.P.S.:

    Die Reduzierung aller “formes de vie” auf das “Konzept der Liebe” hat u.a. die “Sexsucht” hervorgebracht:

    Sex sells, sagt man. Robert (46) trinkt abends zwei oder drei doppelte Cognac und fährt dann durch die Stadt, wobei es ihn regelmäßig in ein Bordell “zieht”. Er hat schon x-mal alle Nationalitäten bei den Prostituierten durch. Immer öfter träumt er davon, einen Schwanz zu lutschen: “Leider sind die Thai-Ladymen am Stuttgarter Platz alle operiert!” So daß es auch dort bisher immer auf fast das selbe hinauslief.

    Eva (41) begann in den Achtzigerjahren als Juso-Politikerin und arbeitet nun als Prostituierte in einem selbstorganisierten Haus- bzw. Hotel-”Besuchs-Service”. Sie sagt: “Wer einmal damit angefangen hat, kann nicht mehr aufhören”. Es klingt resigniert, so als hätte sie es immer wieder versucht. Sie bezeichnet sich selbst als sexsüchtig und mag ausgefallene Positionen – im Knien, im Stehen.

    Die Sexsucht war Mitte der Achtzigerjahre zunächst ein neues Betätigungsfeld für Praxis-Psychologen – neben Drogensucht, Spielsucht, Kaufsucht… Schon bald kam es zu regelrechten “Coming-Outs”: so erzählte z.B. der Gründer einer Selbsterfahrungsgruppe für Exhibitionisten in Bochum, er habe zuletzt bis zu 20 mal täglich onaniert. Sogar während er – bei Ikea – als Verkäufer einem jungen Pärchen eine Regalwand aufzuschwatzen versuchte.

    Der taz-Kolumnist Kuhlbrodt berichtete neulich mehrmals über einen Wohnungsnachbarn – vis à vis, der vor seinem Computer sitzt und nahezu ununterbrochen onaniert. Amerikanische Psychologen warnen bereits vor den persönlichkeitszerstörenden Folgen des pornographischen “Cybersex”. Al Cooper, Psychologe an der Stanford University bezeichnet den “online sex” als “das Crack-Kokain sexueller Zwanghaftigkeit”. In den USA seien bereits über 200.000 Männer und Frauen süchtig danach. Sie gefährden damit ihren Job und alle sozialen Beziehungen. Umgekehrt sehen sich die ihnen Nahestehenden bald außerstande, “mit einer Phantasie zu konkurrieren”.

    Kimberley Young, Psychologin vom “Center of Online Addiction” in Santa Clara, Kalifornien, nennt die Cybersex-Sucht “eine neue Barriere in der Entwicklung von Beziehungen, die z.B. eine einst warme und leidenschaftliche Ehefrau und Mutter zum Anschalten des Computers und zu den Liebhabern und/oder Sexpartnern der Cycerwelt bringt, und die sie davon abhält, für ihre Kinder zu sorgen”. Kurz gesagt: Das Abendland ist mal wieder in Gefahr! Dabei ist das Gegenteil der Fall: es flutscht! Wenn der Philosoph Günter Anders recht hatte, daß wir keinen Mangel an Befriedigungsmitteln, an Gütern haben, sondern einen Mangel an Bedürfnissen, daß also nicht die Ressourcen begrenzt sind, sondern die Wünsche – dann ist gerade die Sucht die Lösung aus diesem Dilemma – der knapper werdenden Wünsche. Der Sexualwissenschaftler Gunter Schmidt berichtet in seinem jüngsten Report über die “Sexuellen Verhältnisse”, immer mehr Frauen würden sich in seiner Praxis darüber beklagen, daß sie “keine Lust (mehr) haben”. Er sieht darin ein positives Ergebnis der Frauenemanzipation. Aber auch Männer klagen zunehmend über “Lustlosigkeit”. In der postmodernen “Suchtgesellschaft” – so Gunter Schmidt – weicht die “Verzichtmoral” und die “Befriedigungssuche” dem “Erlebnissammeln”, wobei aus (sexuell aufgeladenen) Sachmitteln leidenschaftliche Beziehungen werden, denen wir widerstandslos verfallen (“Häagen Dasz Eis macht süchtig”). Dazu muß sich Angst, Wut, Haß, Triumph, Mitleid – nahezu jeder Drang – in sexuelle Erregung wandeln.

    “Ich muß unbedingt mal wieder Ostweiber beschlafen!” so sagte es ein Treuhand-Manager auf einer ostdeutschen Wirtschaftskonferenz 1994 in der Kongreßhalle am Alexanderplatz. Wieviele solcher Männer “ruinierten” sich auf diese Weise bereits – seit dem Triumph der Marktwirtschaft in Osteuropa?! “Auf der anderen Seite”, gibt die in Berlin lebende schlesische Prostituierte Alice Frohnert zu bedenken, “finden aber auch viele Frauen von dort die Männer aus dem Westen geil”.

    Gunter Schmidt schreibt: “Neuerdings bedient man sich auch der Metapher der ,Sexsucht’ für ungebührlich häufige sexuelle ,outlets’.” – Das sind – wörtlich übersetzt – Orte, wo man alles rauslassen kann. Diese “locations” bzw. “events” wirken als “Sender von Triebimpulsen”, während der “postmoderne Körper”, wie der polnische Soziologe Zygmunt Baumann uns nennt, zum “Empfänger von Erregung” wird. “Verlangen verlangt nicht nach Befriedigung,” wie die US-Psychologen Mark Taylor und Esa Saarinen es ausdrückten, “im Gegenteil, Verlangen verlangt nach Verlangen”. Gunter Schmidt fügt hinzu: “So treten wir zur Sexualität in ein Verhältnis wie zu einer Erlebnisware, also wie zu Unterhaltung, Zerstreuung, Reisen,

    Sekten, Psychoangeboten”. Selbst Kinder werden zu einem “Erlebnisversprechen” (“Kinder machen Spaß” versprach eine Kampagne der Bundesregierung). In Berlin versprechen inzwischen selbst alte litauische und ukrainische Prostituierte “neue sibirische Modelle” zu sein.

    Im Endeffekt ist der Sex überall – nur nicht mehr in der Sexualität.

    Identifizieren sich die Menschen etwa mit einem “schielenden Meerschweinchen” namens “Heidi”, das im Leipziger Zoo geboren wurde und anfangs tatsächlich wie ein Meerschweinchen aussah, es handelte sich dabei jedoch um ein Opossum?

    Dpa meldete:

    Ein Lied, eine Seite bei Facebook und Heidi als Kuscheltier. Das schielende Opossum aus dem Leipziger Zoo hat Kultstatus-Potenzial, obwohl es dort überhaupt noch nicht zu sehen ist. «Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet», sagte Zoochef Jörg Junhold der Nachrichtenagentur dpa am Freitag. Bekanntgeworden war Heidi durch einen Pressetermin.

    «Für uns ist Heidi, wie alle anderen Tiere auch, zuallererst Botschafterin für den Tropenwald», sagte Junhold. Heidi wird ab 1. Juli mit dem Männchen Teddy und ihrer Schwester Naira in der Tropenerlebniswelt Gondwanaland wohnen.

    Die Bild-Zeitung schrieb:

    Millionen-Werbevertrag für unsere Heidi? Wird Heidi bald sogar Hauptdarstellerin in Werbespots? Eventuelle Einnahmen will der Zoo in das Artenschutzprojekt „Sabah-Nashorn auf Borneo“ investieren.

    RP ONLINE freute sich:

    Schielende Beutelratte aus Leipzig: Jetzt wird Opossum Heidi ein Soap-Star.
    Heidi, das schielende Opossum aus Leipzig, erobert alle Herzen: Nun bekommt das kuriose, glubschäugige Tierchen sogar eine eigene Serie im Fernsehen. Eigentlich fehlt Heidi die Figur, um ein echter Star zu sein. Denn die Beutelratte hat Übergewicht. Das könnte auch zu der kuriosen Augenstellung geführt haben, die das Opossum berühmt gemacht hat. Der MDR plant eine Telenovela. “Heidi, schielend ins Glück” soll die Serie heißen. 19 Folgen sind geplant, die allerdings nicht mehr als drei Minuten lang sein sollen.

    Das Hamburger Abendblatt textete:

    Germany’s next Top-Ratte
    Ein Lied, eine Seite beim sozialen Netzwerk Facebook mit 113 000 Einträgen und jetzt noch eine Doku-Soap (“Heidi, schielend ins Glück”) auf der Internet-Seite des Mitteldeutschen Rundfunks – das schielende Opossum aus dem Leipziger Zoo hat Kultstatus-Potenzial. Es könnte in Anlehnung an die erfolgreiche Casting-Show seiner Namenscousine Heidi Klum, 37, vielleicht Germany’s next Top-Ratte werden. Leipzigs Zoochef Jörg Junhhold ist über die rasant wachsende Beliebtheit seines Schützling überrascht: “Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet.” Der Zoo selbst plane derzeit keine Heidi-Vermarktung.

    Und BBC News meldete:

    Opossum becomes new media star
    A cross-eyed opossum called Heidi, who is being housed in Leipzig Zoo, has become a media sensation in Germany. The creature, who is not yet on display, has already inspired a YouTube hit song and a toy, and attracted more than 65,000 fans on Facebook. She was abandoned in the US with her sister and moved to Germany in May.

    (Die Beispiele entnahm ich dem Zoo-Pressdienst vom 14.Januar 2011)

    Im Meerschweinforum.de tauchte neulich folgende Frage auf:

    Hallo,

    ich hab ein großes Problem.. Hab Jungtiere zwei männchen. Eins davon ist ein böses Schwein.. es beisst das andere und fügt ihm wirklich schlimme verletzungen zu ich dachte am Anfang das es nur wegen der Rangordnung ist. Dann hab ich das böse Schwein mal im Käfig isoliert vom anderen aber so das sie sich sehen können das brave Schwein wollte aber das böse immer befreien.. ich verstehs nicht mehr was soll ich machen das das aufhört mit dem bösen Schwein..??

    In der Sparte “Meerschweinchen” des “tierforum.de” fragte jemand:

    hallo ihr lieben

    seit ca. einer woche stelle ich fest das sich meine Shiny (ca.3Jahre, weiblich) irgentwie seltsam benimmt !

    sie hockt den ganzen tag nur noch im häusschen und kommt nur dann raus wenn mal dringend gefuttert oder getrunken werden muss.
    außerdem wurde sie ins Ohr gebissen, von einem der anderen Schweinchen nehme ich an.

    Sie ist viel ruhiger geworden und sowieso… total komisch.
    eigentlich kam sie immer an den Käfig sobald nur jemand daran vorbeigelaufen ist.

    immer dann wenn sie stimmen hörte war sie die erste die nach den rechten geschaut hat !

    aber jetzt… ja jetzt bleibt sie immer nur im häusschen und sie ist leichter geworden.

    als ich sie das letzte mal gewogen hab hatte sie 930g (aber das ist auch schon ne weile her, so ca. nen monat) und heute hab ich sie nochmal gewogen da waren es nur noch 830g !

    ist das normal ?

    ich habe irgentwie das gefühl das sie von milky (1,1 kg) oder von benno (1,2kg) “gemobbt” wird.

    denn wenn sie mal raus kommt dann ist einer der zwei schweinchen sofort zur stelle und bedrängt sie total.

    am ende hockt sie dann in einer ecke und benno und milky lassen sie nicht mehr vorbei !

    naya und dann hätten wir noch tequila … die ist noch kleiner als shiny, ich glaube sie wird auch nicht mehr größer …aber sie wird von den 2 großen in ruhe gelassen.

    man muss sagen, milky und tequila kannten sich schon bevor sie zu mir kamen.

    und benno hat sich ja sofort die krone aufgesetzt, schon am ersten tag, obwohl er auch noch neu war.

    bitte helft mir …!

    Im “Meerschweinchen-Forum.de” schreibt jemand:

    Servus Leute,

    mein Name ist Robert und ich komm aus Frankfurt am Main. Bin Schüler eines Gesundheits Gymnasium ( beruflichen Gymnasium).

    Ich und meine Familie halten seit etwa mehr als einem Jahr zwei Meerschweinchen. Sie sind die besten. Ich liebe sie und würde sie mit Niemandem eintauchen.

    Ich habe sie von einem Züchter gekauft und war erstmal verunsichert. Sie sind meine ersten Haustiere gewesen. Aber nach einer kurzen Dauer hat sich alles geändert. Sie wurden zu einem festen Bestandteil. Selbst meine Eltern und Freunde sind fasziniert von den beiden. Tja… da haben sie auch recht. Sie können schon ein paar Tricks und hören teils auf Kommando. Wie ein Hund.

    Ich möchte jetzt nicht euch volllabern
    Hoffe nur das wir alle sehr viel Spaß haben werden…

    Auf “Meerschweinchen-ratgeber.de” tröstet Nadine alle Meerschweinchen-Besitzer, denen ein Tier gestorben ist:

    Eine Brücke verbindet Himmel und Erde. Wegen der vielen Farben nennt man sie “Brücke des Regenbogens”. Auf dieser Seite des Regenbogens liegt ein Land mit Wiesen, Hügeln und saftigem, grünen Gras.

    Wenn ein geliebtes Tier auf Erden für immer eingeschlafen ist, geht es zu diesem schönen Ort. Dort gibt es immer zu fressen, zu trinken und es ist warm – es ist schönes Frühlingswetter.

    Die alten und kranken Tiere sind hier wieder jung und gesund. Sie spielen den ganzen Tag zusammen. Es gibt nur eins, was sie vermissen:
    Sie sind nicht mit ihren Menschen zusammen, die sie auf Erden so geliebt haben.

    So rennen und spielen sie jeden Tag zusammen, bis eines Tages plötzlich eines innehält und aufsieht:

    die Nase bebt, die Ohren stellen sich auf und die Augen werden ganz groß.

    Plötzlich rennt es aus der Gruppe heraus und fliegt förmlich über die grüne Wiese. Die Pfoten tragen es schneller und immer schneller. Es hat Dich gesehen.

    Und wenn Du und Dein spezieller Freund einander treffen, nimmst Du ihn in Deine Arme und hälst ihn fest.

    Dein Gesicht wird wieder und wieder geküsst , und Du schaust in die Augen Deines geliebten Tieres, das solange aus Deinem Leben verschwunden war, aber nie aus Deinem Herzen.

    Dann überschreitet Ihr gemeinsam die Brücke des Regenbogens, um nie wieder getrennt zu sein.

    Im Unterforum “Meerschweinchen” des “Nagerforum.ch” berichtet jemand über den “4. Vergesellschaftungsversuch – Es sieht schlecht aus”:

    Hallo!

    Ich habe vor kurzem ein Weibchen zu einem Kastraten vermittelt. Der Kastrat hat mehrere Tumore/Abzesse, welche ihn aber keineswegs stören. Vom Verhalten her ist er ganz normal.

    Vorher hatten die Besitzer schon 3x ein Weibchen aus dem Tierheim übernommen, sie mussten aber alle 3 zurückgeben, da die Weibchen sich gegenüber dem Kastraten aggressiv verhalten haben. Der Kastrat selbst ist wohl ein echtes Weichei.

    Nun habe ich also kürzlich die Struppi zu dem Kastraten vermittelt. Struppi schien mir eigentlich ideal für den Kerl zu sein, da sie eigentlich sehr ruhig ist und hier noch nie Probleme bei Vergesellschaftungen gemacht hat.

    Aber leider jagt auch die Struppi den Kastraten durch sein Gehege und verhält sich ihm gegenüber aggressiv.

    Woran kann das liegen, dass kein Weibchen den Kastraten mag bzw. was kann man noch tun? Das Gehege ist 1mx2m gross und sehr abwechslungsreich eingerichtet. Daran kann es also nicht liegen…

    Im “rosa Meerschweinchen Forum für Züchter und Liebhaber” ist von einem “Schweinekrieg?” die Rede:

    hey hey,

    alwin und fridolin haben es irgendwie seit ner woche miteinander.
    am anfang (vor 4/5 wochen) habe ich die zwei zusammengetan. es lief auch alles super, sie verstanden sich. seit montag jagt alwin nun fridolin ständig hinterher, zwickt ihm in den po, baut sich vor ihm auf usw. ernsthaft kämpfen tun sie nicht, aber es nervt schon ein wenig, den ganzen tag das hohe gequieke zu hören.

    ausserdem rasen die so durch den käfig, dass das ganze streu daneben liegt… :roll: heute habe ich an alwins nase schon eine kleine verletzung entdeckt. ist wohl diese nacht passiert. ich glaube, fridolin hatte einfach mal genug, er ist nämlich der jenige, der eigtl friedliche absichten hat.

    hört das irgendwann wieder auf oder muss ich jetzt angst haben, dass es schlimmer wird? auslauf haben sie auch genug.

    Wissenswertes über Meerschweinchen

    Der “bv-tierschutz.de” schreibt:

    Mit der Entwicklung der biologischen und medizinischen Wissenschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Meerschweinchen bevorzugt als Versuchstier gezüchtet und genutzt. Eingesetzt wurde es insbesondere in der Züchtungsforschung. Gefragt ist es auch heute noch wegen seiner Sensibilität auf Infektionen und einem hohen Zoonosen-Potenzial (als Zoonosen bezeichnet man Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind).

    Weiterhin sind ihre ausgeprägten Sinneswahrnehmungen für die Forschung attraktiv. Sie unterscheiden Farben, haben einen sehr ausgeprägten Geruchssinn (Wahrnehmung von 100 bis 1000-mal geringeren Duftkonzentrationen als der Mensch), sind tastfähig, und können mit Geräuschwahrnehmungen im Bereich von 100 bis 50.000 Hertz im Vergleich zu etwa 15.000 Hertz maximal beim Menschen sehr gut hören.

    In den letzten Jahren belief sich die Zahl der für Forschungszwecke genutzten Meerschweinchen in Deutschland auf etwa 42.000 jährlich.

    In der Schweiz waren es 2003 bereits 475445 Tiere.

    Die “liga.homepage.t-online.de” beschreibt einen Mensch-Meerschweinchen-Versuch im KZ Neugamme:

    Es waren 20 jüdische Kinder, Buben und Mädchen. Ihr Alter: zwischen 5 und 12 Jahre. Der deutsche Oberarzt Dr. med. Kurt Heißmeyer hatte sie für seine Menschenversuche angefordert. Dr. med. Heißmeyer vertrat die Auffassung, dass „rassisch minderwertige“ Patienten gegenüber Krankheiten wie der Tuberkulose weniger widerstandsfähig seien als „rassisch hochwertige“. Nach seiner „Erschöpfungstheorie“ sollten nur erschöpfte und „minderwertige“ Organismen durch Tuberkelbazillen infiziert werden können. Mit diesen Theorien wollte der Oberarzt Dr. med. Heißmeyer sich für eine Professur bewerben. Am 29. November 1944 kamen die Kinder im KZ Neuengamme an. Dann wurden die Kinder und die Meerschweinchen, die sich schon dort befanden, nummeriert. Zu jedem Kind gehörte ein Meerschweinchen mit der gleichen Versuchsnummer. Ein Versuch wurde jeweils parallel an einem Kind und an dem dazugehörigen Meerschweinchen durchgeführt.

    Die Kinder mussten sich auf einen Hocker setzen, zwei Helfer hielten sie fest. Dann wurde dem Kind ein Gummischlauch durch die Luftröhre in die Lunge eingeführt. Das war sehr schmerzhaft. Die Kinder schrien entsetzlich. Manchmal kam es auch zu Verletzungen der Luftröhre, so dass Blut aus dem Mund der Kinder quoll. Nachdem der richtige Sitz des Schlauchs unter dem Röntgenschirm kontrolliert worden war, spritzte der Oberarzt Dr. med. Heißmeyer den Kindern die Tuberkelbazillen in die Lungenflügel. Außerdem erhielten die Kinder Hauteinschnitte, in die Tuberkelkulturen eingerieben wurden. Nach zwei bis drei Tagen bekamen alle Kinder Fieber. Mitte Januar 1945 wollte der Oberarzt Dr. med. Heißmeyer feststellen, wie die Axillardrüsen*(*Drüsen in den Achselhöhlen) der Kinder auf die Tuberkulose-Infektion reagiert hatten. So ließ er den Kindern die Drüsen unter den Achseln herausoperieren.

    Der Spiegel meldete:

    Auch die Bundeswehr forscht mit Meerschweinchen.

    Zahlreiche Tierexperimente führt die Truppe in der streng bewachten “Wehrwissenschaftlichen Dienststelle der Bundeswehr für ABC-Schutz” im niedersächsischen Munster durch – einer Einrichtung, die dem auch für Rüstung zuständigen Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz untersteht.

    Weil bestimmte Fragen “nur über den Tierversuch” zu klären seien, werden in der Erprobungsstelle Schafe, Schweine, Ziegen, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten und Mäuse gezüchtet und gehalten. Veterinäre überwachen die Versuche, die Auswertung übernehmen andere Bundeswehr-Dienststellen, etwa das “Institut für Wehrmedizin und Hygiene” in Koblenz.

    Versuchsbeispiel:

    Die Waffe, ein Stoner-63-Karabiner, war “in einem Schießblock fest montiert”. Der “Zieltisch” stand 50 Meter weit weg in “infanteristischer Kampfentfernung”. Ein lebender Boxerhund, das anvisierte Ziel, hing “in linker Seitenlage quer zur Schußrichtung”. Der rechte Hinterlauf wurde “durch eine am Sprunggelenk angreifende Zugvorrichtung in Streckstellung nach oben gehalten”.

    Das Geschoß, Kaliber 5,56 Millimeter, traf den “nur von einer dünnen Weichteilschicht bedeckten Oberschenkelknochen”. Die beabsichtigte Folge: eine Oberschenkelfraktur, verbunden mit “ausgedehnter Zertrümmerung des getroffenen Schaftanteiles” und “Zerstörung des Röhrenknochens”.

    Dieser Tierversuch, in einem “Forschungsbericht aus der Wehrmedizin” beschrieben, erfolgte im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums. Bei der Beschießung von 20 narkotisierten Boxerhunden sollten Erkenntnisse über “die Wirkung des modernen, hochrasanten 5,56-mm-Geschosses” und “die Behandlung von Schußbrüchen” gewonnen werden. Die medizinische Auswertung wurde gemäß Forschungsvertrag BMVg-InSan I 1375-V-024 an der Bochumer Uni-Klinik “Bergmannsheil” durchgeführt.

    Das Testergebnis ist in einem Untersuchungsbericht festgehalten: Neun Tiere starben innerhalb von drei bis 48 Stunden “an den unmittelbaren oder mittelbaren Folgen der Schußverletzung”. Hund 19 mußte wegen “kompletter Zerreißung der Oberschenkelgefäße”, Hund 17 aufgrund “weitflächiger Weichteilverletzungen … nach Splittertreffern” getötet werden. Hund 13 starb, nach 48 Stunden, an einem “toxischen Lungenödem”.

    Die komplizierten Knochenbrüche der überlebenden Tiere wurden operiert und wochenlang behandelt. Bei Hund 4 war “das gesamte Bein während der folgenden Wochen ödematös geschwollen”, bei Hund 12 mußte “wegen zunehmender eitriger Sekretion der Fistel” ein “Zweiteingriff” vorgenommen werden. Nach Abschluß des Versuchs wurden alle Hunde “mit einer Überdosis Inactin” getötet.

    Tierexperimente zu militärischen Zwecken sind alltägliche Praxis bei der Bundeswehr. In Laboratorien und Erprobungsanlagen werden Versuchstiere radioaktiven Strahlungen ausgesetzt, mit Krankheitserregern infiziert und mit chemischen Kampfstoffen vergiftet, gelegentlich auch mit Nato-Munition beschossen.

    Auf “de.answers.yahoo.com” ist von einem eher harmlosen Meerschweinchen-Versuch die Rede:

    hi!

    ich habe vor kurzem für meine zwei meeris (beide 2 jahre alt; weiblich) eine xxl-brücke gekauft um zwei käfige miteinander zu verbinden, um den beiden noch mehr platz zu bieten.

    die beiden käfige stehen nebeneinander und die xxl-brücke führt von einem käfig in den anderen. die brücke ist standfest, breit genug und nicht sehr steil. dennoch gehen meine beiden schweinchen nur so weit auf die brücke wie sie mit den vorderpfötchen draufkommen bzw. sich strecken können.die hinterpfötchen jedoch bleiben unten.sonderlich hoch ist die brücke ja nicht. habe es schon öfter mit ,,leckerem futter” versucht und zeit gelassen, damit die beiden das teil erstmal erkunden und beschnuppern können.

    jetzt meine frage:

    wie schaffe ich es die beiden dazu zu bewegen, über die brücke zu laufen und keine angst davor zu haben auf etwas hoch zu gehen??
    würde mich über tipps freuen!

    “meerchenwelt.de” schreibt:

    Das Hauptverbreitungsgebiet der wilden Meerschweinchen ist das peruanische Hochland. Es ist jedoch auch zu finden in

    * Ecuador,
    * Brasilien,
    * Paraguay,
    * Uruguay und
    * dem nördlichen Argentinien.

    Bereits vor ca. 6000 Jahren waren Meerschweinchen Jagdwild der Ureinwohner, vorzugsweise der Inkas. Diese domestizierten das Wildmeerschweinchen als Nahrungsquelle, aber auch als Grabbeigabe oder Opfertier. Besonders begehrt für diesen Zweck waren braune und braunweiß-gescheckte Tiere. Daher begannen bereits die Inkas mit einer Zucht nach Farbschlägen.

    Als die Spanier Mitte des 16. Jahrhunderts das Inkareich eroberten, fielen ihnen auch die zahlreichen Haustiere in die Hände. Vermutlich als Proviant, vielleicht aber auch aus wissenschaftlichem Interesse brachten dann vorwiegend holländische Seefahrer die Meerschweinchen nach Europa. Mit Sicherheit erkannten sie sehr schnell den Wert der niedlichen Tiere.
    Es wurde Mode in Europa, Meerschweinchen als Haustiere zu halten. Allerdings nur für die Reichen, denn ein Meerschweinchen kostete den unglaublich hohen Preis von 1 Guinee. Der englische Name guinea pig für Meerschweinchen zeugt noch heute von diesem Betrag.

    Die taz meldete:

    Immer mehr Leute entsorgen ihre zu vielen oder vernachlässigten Meerschweinchen im Zoo und im Tierpark.

    Am Zoobetriebshof fragt der Pförtner nur noch knapp: “Sie wissen, wo es lang geht?! Vorne links und dann auf die Rampe. Ich rufe durch, damit jemand die Tiere in Empfang nimmt.” Dabei handelt es sich meistens um Meerschweinchen. Viele Mütter kennen sich bereits: “Na, auch wieder da – um den neuen Wurf zu entsorgen?!”

    Die süßen Zwergnager gehören inzwischen zur Grundnahrung der Raubtiere und -vögel des Zoos. Auch die Schlangen und Krokodile greifen gerne auf sie zurück. Die meisten der Kleintiere sind biologisch-dynamisch ernährt, jung und quasi frisch.

    “Was soll ich machen?” fragt eine Frau, die “alle sechs bis acht Wochen drei bis vier ,Balkonmeerschweinchen’” anliefert, “die Kinderbauernhöfe sind rappelvoll, sie beliefern selbst die Zoos, die Tierhandlungen nehmen schon lange keine Zwergnager mehr und sie im Winter auszusetzen, das bringe ich nicht übers Herz, die sind doch mit Zentralheizung groß geworden. Noch scheußlicher ist es, sie durchs Klo zu spülen – das machen auch viele. Diese ganze Qual rührt nur daher, daß meine Tochter sich standhaft weigert, ihren Meerschweinchenbock endlich kastrieren zu lassen”.

    Die Zoowärterinnen, die die Tiere auf der Rampe in Empfang nehmen, kennen das Dilemma. Eine meint tröstend, als sie wieder drei Tiere in die große Box zu den Meerschweinchen sperrt: “Die gewöhnen sich schnell ein”, fügt dann jedoch hinzu: “aber bis sie sich eingelebt haben, sind sie längst weg!” – verfüttert.

    Das Berliner Lokalradio “rbb-online.de” meldete:

    Das Berliner Tierheim hat die hohe Zahl ausgesetzter Tiere beklagt. In einer Jahresbilanz sprach die Einrichtung in Höhenschönhausen von mehr als 10.000 ausgesetzten oder abgegebenen Tieren.

    Noch vor Weihnachten waren es den Angaben zufolge 1818 Hunde, 4152 Katzen und 2504 Kleintiere. Besonders häufig würden Kaninchen und Meerschweinchen aus dem Haus verbannt, etwa im Flur oder im Pappkarton neben der Mülltonne, sagte eine Sprecherin am Montag.

    Auf “forum.gofeminin.de” klagt eine junge Frau, “mein Freund hat nur noch seine neuen Meerschweinchen im Kopf”:

    hallo zusammen,
    ich bin jetzt anderthalb monate mit meinem freund zusammen.
    vor 2 tagen hat er sich 2 meerschweinchen gekauft und seitdem interessiert er sich für nichts anderes. wenn ich bei ihm bin, hockt er nur bei den meerschweinchen. er ignoriert mich total..alles dreht sich nur noch um meerschweinchen.

    ich habe auch 2 und er will jetzt, das wir uns zusammen mit unseren meerschweinchen treffen. ich will das nicht, aber das versteht er nicht.
    wir sind doch erst so kurz zusammen und es müsste doch eigentlilh so sein, das er sich total freut mich zu sehen un dann nicht so viel zeit mit seinen meerschweinchen verbringen. es ist ihm auch ganz egal, wenn ich daneben steh und mich langweile. ich kann ihn einfach nicht mehr verstehen. er wird auch immer so schnell sauer, er kommt von jetzt auf gleich auf 180. deswegen fällt es mir schwer, mit ihm zu reden. gestern abend war ich bei ihm und habe geweint, weil er mir überhaupt keine aufmerksamkeit mehr schenkt. aber er kann es irgendwie net verstehen.
    findet ihr, das ich übertreibe?

    könnt ihr mir tipps geben, wie ich mit dieser situation umgehen kann?

    Kürzlich machte eine Pressemeldung aus der österreichischen Meerschweinchenforschung die Runde:

    Liebe macht Meerschweinchen dümmer, so lautete das Ergebnis einer Forschung von Biologen um Professor Ivo Machatschke vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien.

    Stress lässt als Paar gehaltene Tiere schlechter lernen als Singles. Liebe macht zwar dumm, aber dumm fickt gut. So oder so ähnlich lauteten daraufhin die Kommentare.

    Worum ging es: Die Verliebtheit führt zu tiefgreifenden Veränderungen im Organismus, vor allem der Hormonhaushalt gerät aus den Fugen. Jetzt haben die Forscher nachgewiesen, dass Liebe nicht nur blind, sondern offensichtlich auch „dumm“ macht – zumindest gilt dies für Meerschweinchen. In Labyrinth-Experimenten lernten als Paar gehaltene Tiere deutlich schlechter als Singles. Dafür produzieren die verliebten Meerschweinchen jedoch vermehrt das Liebes- und Glückshormon Oxytocin, betonen verschiedene Tageszeitungen, die diese Wiener Wissenschafts-Meldung aufnahmen.

    Wie Menschen sich mit dem Liebes- und Glückshormon Oxytocin arrangieren, erzählte am Wochenende die Kabarettistin Sissi Perlinger der Tageszeitung taz:

    Ihr Freund hatte sie verlassen, sie konnte nicht mehr schlafen und machte eine Therapie:

    “Ein paar Jahre. Ich habe immer gedacht: Jetzt ist es vorbei. Wenn der Frühling kommt, ist es vorbei. Im Dezember an meinem Geburtstag wird es vorbei sein. Aber bis ich wieder richtig auf den Beinen war, bis ich wieder fröhlich war, wieder schlafen konnte, das hat alles in allem drei Jahre gedauert. Ein Jahr war die Hölle, das zweite, hm, im dritten gab es so Rückfälle. Ich fahre Auto, und dann kommt plötzlich “Nothing compares to you” im Radio, und ich muss sofort tränenblind ganz schnell rechts ranfahren und mich erst mal ausheulen – whähäha.

    Nach drei Jahren merkte ich, ich fange an, stolz auf das zu sein, was ich geschafft habe. Und danach fing eine wirklich sehr gute Zeit an, wo ich fand, Single sein ist das Größte, Single sein ist der Wahnsinn. Es war, wie wenn ich ein neues Land entdecken würde und allen anderen Frauen zurufen wollte: Hey, habt keine Angst, hier ist es super. Man muss sich nur vernetzen mit vielen Freunden, und man darf sich nicht auf Flirts einlassen.”

    taz: “Warum nicht?”

    “Dann wird man rückfällig. Ein einziges Mal habe ich es ausprobiert. Danach war meine innere Harmonie wie weggeblasen, und ich bin in die alten Muster gefallen. Der Typ war nicht so, dass ich dachte, das ist der neue Partner. Ich habe mir das nur einmal erlaubt und gemerkt, da schieß ich mir doch lieber ins Bein. Was da für eine Unruhe entstand. Die alten Ängste und Sehnsüchte kamen wieder hoch.

    Du schüttest als Frau ja unglaublich viel dieses Bindungshormons Oxytocin aus, und du willst bei dem sein, obwohl er nicht der Richtige ist. Als ich das wieder aus meinem System raus hatte, habe ich mir geschworen: Nie mehr.

    Wie Schimpansen sich mit dem Liebes- und Glückshormon Oxytocin arrangieren, erzählte der Primatenforscher Frans de Waal gerade der Wochenzeitung “Freitag” – anläßlich des Erscheinens seines optimistischen Buches “Das Zeitalter der Empathie”:

    Auf die Frage, was der Auslöser für die Entwicklung von Mitgefühl war, antwortete Frans de Waal: Immer mehr Biologen sind sich darin einig, dass Empathie mit der Entwicklung der mütterlichen Fürsorge bei Säugetieren entstanden ist…Das Hormon Oxytocin spielt hierbei wahrscheinlich eine Schlüsselrolle. In weiblichen Säugetieren ist es viel präsenter als in männlichen. Wenn man das Kooperations- und Konkurrenzverhalten einer Gruppe von Männern untersucht und einzelne Teilnehmer dann mit Oxytocin einsprüht, zeigen sie sich gleich viel zutraulicher und mitfühlender. Das hängt mit dieser uralten Verbindung von mütterlicher Fürsorge und Empathie zusammen.

    Auf die Nachfrage, Oxytocin ist aber kein Privileg des Menschen…, antwortete Frans de Waal: Es gibt zwar eine emotionale Ansteckung – wenn einer glücklich und heiter ist, werden die anderen auch glücklich und heiter. Das kann man wirklich bei vielen Tieren beobachten. Höhere Tiere sind aber weit darüber hinaus mitfühlend. Sie versuchen, den Gemütszustand ihres Gegenüber zu verstehen – zu ergründen, warum der andere jetzt gerade traurig oder fröhlich ist. Mäuse sind zu dieser Art von Mitgefühl nicht fähig. Menschenaffen, Delphine und Elefanten dagegen schon. Je bewusster ein Tier sich selbst wahrnimmt, desto empathischer ist es für gewöhnlich auch.

    In der Jungen Welt wurde am 3.2.2011 ebenfalls eine Affenforschung vorgestellt, in der mit dem Hormon Oxytocin argumentiert wird: “Der Sinn des Gebens. Warum Selbstlosigkeit in der Evolution siegt und wir mit Egoismus nicht weiter kommen” von Stefan Klein. Laut dem Rezensenten geht der Autor davon aus, dass Schimpansen oder überhaupt höherentwickelte Tiere nicht sozial sind, nicht kooperieren können:

    “Bis vor kurzem hat man die Kooperation als ein Phänomen aufgefaßt, das im Tierreich weit verbreitet ist. Und man hat angenommen, daß Tiere kooperationswillig sind, weil sie, geleitet vom Prinzip des »do ut des«, miteinander ständig Gefälligkeiten und Nahrungsmittel austauschen. Doch mittlerweile hat sich herausgestellt, daß diese Auffassung grundfalsch ist. Vielmehr deuten etliche Befunde darauf hin, daß Tiere nicht dazu neigen, miteinander zu kooperieren und Ressourcen miteinander zu teilen, weil sie nicht imstande sind, sich in ihre Artgenossen hineinzuversetzen und sich daran zu erinnern, wer ihnen wann welchen Gefallen getan hat. Hingegen ist der Mensch laut Klein das Wesen, das die Evolution darauf programmiert hat, sich in vielen Situationen freigebig und selbstlos zu verhalten und sich ganz in den Dienst der Gruppen zu stellen, denen es sich zugehörig fühlt.

    Klein vermutet, daß die Frühmenschen in den extrem harten und gefährlichen Verhältnissen der Savanne nur überleben konnten, indem sie sich beizeiten eng zusammenschlossen und auf die kollektive Großwildjagd und auf die kollektive Kinderaufzucht verlegten. Dadurch sei ein Überfluß an Zeit und Lebensmitteln entstanden, der eine erhebliche Steigerung der Intelligenz nach sich gezogen und den soziokulturellen Fortschritt überhaupt erst ermöglicht habe.

    In Kleins Augen gibt es eine Fülle von Indizien, die dafür sprechen, daß die Disposition zu altruistischem und solidarischem Verhalten in den menschlichen Erbanlagen steckt. So schüttet das Gehirn von Menschen, die sich um das Wohlergehen anderer kümmern, Opioide und Oxytocin aus – euphorische Stimmungen auslösende Hormone, die die Bereitschaft erhöhen, emotionale Bindungen einzugehen, und die außerdem chronischem Streß entgegenwirken. Durch die funktionale Kernspintomographie ist zutage gekommen, daß die Schaltkreise im Gehirn, die für sexuelle und kulinarische Lustgefühle zuständig sind, auch dann aktiv sind, wenn Menschen Menschen unterstützen.

    Es hat sich außerdem herausgestellt, daß das Belohnungssystem auf Hochtouren läuft, wenn die Mitglieder eines Teams die Erfahrung machen, daß es sich für sie auszahlt, miteinander zu kooperieren. Außerdem weiß man mittlerweile, daß Menschen ein Gefühl für soziale Gerechtigkeit angeboren ist und daß ihre Spiegelneuronen sie zu Virtuosen der Empathie machen.”

    “Spiegelneuronen, Opioide und Oxytocin, funktionale Kernspintomographie, Schaltkreise im programmierten Gehirn” – wenn man diesen Wortschatz bzw. diese Wortarmut liest, dann könnte man meinen, dass wir seit Kropotkins Untersuchungen über die “gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt” bei diesem Thema auf den Wissensstand von Meerschweinchen zurückgefallen sind.

    In der Jungle World hatte Christine Zunke im August 2010 eine Kritik dieses Denkens veröffentlicht, auch darin ist wieder von Oxytocin die Rede, hier wird es als das “Treuehormon” berzeichnet, in den obigen Texten mal als “Glückshormon”, als “Bindungshormon”, als “Kooperationshormon” und als “Liebeshormon”. In Zunkes Kritik der Gehirnforschung heißt es an der betreffenden Stelle:

    “Das Gehirn als Forschungsgegenstand war und ist immer auch Projektionsfläche für verschiedenste Gesellschaftstheorien. Da diese nicht von dem naturwissenschaftlichen Sachverhalt, auf den sie sich beziehen, getrennt werden können, ändern sich mit dem gesellschaftlichen Wandel auch die Funktions- und Dysfunktionszuschreibungen des Gehirns. Ob ein Mangel am »Treuehormon« Oxytocin nun zum Ehebruch führt (Dysfunktion), oder ob ein mehrjähriger Schwankungszyklus für dieses Hormon als normal gilt und sich folglich in der Serienmonogamie das eigentlich natürliche Verhalten des Menschen offenbare, lässt sich nicht am Zustand des Gehirns ablesen, zeigt aber zuverlässig den Stand der gesellschaftlichen Konventionen an. Das Wissen um die Geschichtlichkeit des Gehirns als Gegenstand der Naturwissenschaften kann dabei helfen, die heutige gesellschaftliche Rolle der Hirnforschung und ihre politischen Implikationen zu begreifen.”

    Auch in dem neuen Buch “Für Fortgeschrittene” von Alek Popov, einem Schriftsteller aus Bulgarien, kommt das Superhormon Oxytocin vor (auf Seite 75):

    “Der Artikel in der Prawda berichtete vom Arbeitsleben Anjutas, von ihren Vorbereitungen für den Flug, dem Start in Baikonur und dem Andockmanöver mit der astrobiologischen Station ‘Circe’. Eine Woche später sollte das US-Raumschiff HORMON dazustoßen. Der Astronaut Luke Bolton und die Kosmonautin Anjuta Fjodorovna Ilishna würden anderthalb Jahre an Bord der ‘Circe’ verbringen. Die Frage, die die Gelehrten beschäftigte, war die: Ist es unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit möglich, schwanger zu werden? Und was geschieht danach? Die Ärzte wollten die biologischen Prozesse während des Geschlechtsverkehrs, im Augenblick der Befruchtung und die Phasen der embryonalen Entwicklung gründlich erforschen. Die Rolle der beiden Astronauten erschöpfte sich in einer einzigen Aufgabe – sie sollten Liebe machen.”

    Unter der deutschen Schreibweise des “Orgasmushormons” – Oxytozin – findet man bei Google gut 35.000 Einträge, unter der angloamerikanischen – Oxytocin – knapp zwei Million, darunter finden sich bereits etliche Therapien mit dem “Botenstoff der Liebe”, dass das “männliche Mitgefühl” ebenso steigert wie es Autisten angeblich dazu bringt, mehr Vertrauen zu entwickeln. Außerdem soll es bei Schizophrenie “helfen” und Männer ganz allgemein “sensibler” machen . Das “Kuschelhormon” gibt es neuerdings auch als Nasenspray.

    Im Forum “eltern.de” diskutierte man neulich die Frage, welches Oxytocin-Nasenspray das beste sei. Eine Sabine meinte dazu:

    “Hm, ich kenne das nur, weil meine Schwägerin es zum Wehenauslösen bekam… scheint mir zur Steigerung der Milchmenge etwas heftig, zumal man erst mal abklären sollte, ob es überhaupt an einer krankhaften Hormonlage liegt *grübel* Es bring ja auch wenig, die Milchabgabe zu verbessern, wenn nicht genug produziert wird.”

    Eine Jenny schrieb:

    Das Spray heißt Syntocinon und steht in meinem Kühlschrank.

    Als sich herausstellte, dass das Mittel nicht mehr im Handel zu bekommen war, schrieb eine gewisse Sunflower:

    na das ist ja echt doof….
    habe auch das Syntocinon spray im kühlschrank, die kinderschwestern bei uns im Kreikrankenhaus haben mir extra 2 flaschen mitgegeben, da ich im kkh nen Milchstau hatte. ich hoffe du bekommst es noch irgendwo.

    Und eine Unbekannte riet:

    bevor du dich mit medikamentoesen hilfsmitteln befasst, suche dir doch bitte eine stillberaterin.

    Ein “Gast” gab zu bedenken:

    bevor jetzt alle losrennen und sich dieses vermeintliche wundermittel bestellen – hier habe ich ein paar gegenargumente aus einem anderen forum: “Wenn der Körper nicht oder nicht ausreichend Oxytocin ausschüttet (z.B. wegen Schmerzen oder starkem anderen psychischen Stress), kann dieses Spray vorübergehend darüber hinweg helfen.
    Fetter Haken allerdings: das Spray hemmt auf Dauer die eigene Oxy-Ausschüttung und wirkt selbst auch nur begrenzt, deshalb darf das Spray nur nach ganz strenger Abwägung und maximal 24 Std. lang eingesetzt werden. Kein erste Wahl-, sondern letzte Wahl-Mittel!

    Nebenwirkung hat das Oxytocinspray auch. Kopfschmerzen können auftreten. Schmerzhafte Kontaktionen der Gebärmutter. Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckanstieg, Steigerung der Herzfrequenz, bei höheren Dosen können sogar Herzryhtmusstörungen auftreten. Und die Frauen können Wasser einlagern. Auf eine Beschränkung der Flüssigkeitzufuhr sollte man achten (das heißt keine 4 Liter zusätzlich trinken). Sonst lagert sich alles im Gewebe ein.”

    Auf “orf.at” diskutierte man neulich über das Nasenspray – als geeignetes Mittel, um in kommerzieller Hinsicht Vertrauen zu schaffen:

    “Schweizer Forscher hatten ein Nasenspray entwickelt, das Vertrauen in andere Menschen steigert. Nachdem Versuchspersonen an der Mixtur mit dem körpereigenen Hormon Oxytocin geschnüffelt hatten, waren sie eher dazu geneigt, Geld an einen Treuhänder zu übergeben.

    Das berichtet die Gruppe um Michael Kosfeld von der Universität Zürich in einer aktuellen Studie. Ein Missbrauch dieser Erkenntnisse sei nicht ausgeschlossen, sie könnten aber auch Menschen mit Bindungsschwierigkeiten wie etwa Autisten helfen, schreiben die Wissenschaftler.

    Das Hormon entfaltete seine Vertrauen einflößende Wirkung jedoch nur, wenn es um zwischenmenschliche Kontakte ging: Spielten die ‘Investoren’ in der Versuchsanordnung mit einem Computer, unterschied sich ihr Vertrauensverhalten nicht von der Kontrollgruppe. Das Hormon erhöhe nicht einfach die Risikofreudigkeit, betonen die Forscher.”

    In dem “Handbuch für die Frau: ‘Das kleine Schwarze’” (2009), von Christiane Tewinkel, Cordula Bachmann, und Birgitta Kauffmann werden die Wirkungen des Hormons auf das (Re-)Produzieren (Labouring) von Frauen und Männern zusammengefaßt:

    “Das Oxytozin wird auch „Bindungshormon” genannt. Es wirkt allgemein entspannend und beglückend. Nur nicht auf die Gebärmutter, die zieht sich unter Oxytozin zusammen. Oxytozin findet sich in erhöhten Konzentrationen auch bei stillenden Frauen oder rein männlichen Geschäftsessen. Die Kuschel-Wirkung des Oxytozin wirkt sich nicht nur beim Gebären positiv aus, sondern auch beim Abschluss geschäftlicher Verträge.

    Nie wieder allerdings ist die gleichzeitige Konzentration von Oxytozin und Adrenalin so hoch wie bei unserer eigenen Geburt. Nur durch die Kombination dieser beiden Stoffe ist es für das Kind möglich, den Kraftakt und den Stress zu bewältigen, den es bedeutet, geboren zu werden. An zweiter Stelle kommt die Gebärende. Auch bei ihr kreisen die beiden Stoffe in höchsten Dosierungen im Blut. Das bewirkt, dass sie während der Wehe eine ungeheure Kraft entwickelt, in der Wehenpause aber sogleich in einen Zustand totaler Entspannung verfällt, um Kraft für die nächste Wehe zu sammeln.

    Auch bei Ihnen als Beistehender ist der Oxytozingehalt erhöht. Sie werden also für die Aufregung, die Ihnen zugemutet wird, durch beglückende Hormone entschädigt. Auch bei gutem Sex wird übrigens Oxytozin ausgeschüttet. Der abschließende Kalauer einer Frau über ihr Geburtserlebnis „Ich kam wie noch nie – und zwar nieder“ ist also durchaus ernst zu nehmen. Trotzdem bleibt die orgiastische Geburt, bei der die Gebärende bauchtanzend und stöhnend ihr Kind zur Welt bringt, leider die Ausnahme.”

    Im Internet-Forum “geburtskanal.de/wissen” heißt es über die Wirkung des Hormons kurz und schmerzlos:

    “Powerhormon setzt kraftvolle Instinkte frei.”

    Noch kürzer formulierte es dann “gehirn-und-geist.de”:

    “Elixier der Nähe”

    <- Ein Teufelszeug!

    P.S.: Nachdem ihn dieser ganze “Kommentar” hier – unter der Überschrift “Ein Hormon geht einsam durch die Welt/ Es ist ein Hormon, sonst nichts” – erreicht hatte, schrieb Peter Berz, Mitarbeiter am Zentrum für Literatur- und Kulturwissenschaft (ZfL), zurück:

    Herzlichen Dank für die Oxytoxy-Aufklärung!

    “Die ficken ja wie die Meerschweinchen!” meinte eine Freundin neulich respektlos beim Anblick einiger kopulierender und drumherum masturbierender Gäste des “Kitkat”-Clubs in Mitte.

    Das sollte mit diesen ganzen Meerschweinchen-Eintragungen hier gesagt sein.

    Zurück zu Zoo/Tierpark – eine dpa-meldung dazu:

    Zoo und Tierpark Berlin waren dem Senat seit der Wende jedes Jahr viele Millionen Euro Steuergeld wert. Doch dank Eisbär Knut und dem
    Geländeverkauf für das Luftschloss Riesenrad boomt der Zoo, so dass der Senat nur noch für den Tierpark Friedrichsfelde zahlen will.

    Dem Zoologischen Garten Berlin geht es wirtschaftlich
    so gut, dass er kein Steuergeld mehr braucht. Diese Spar-Position
    vertritt die Berliner Finanzverwaltung vor den Verhandlungen um die
    künftige Förderung von Zoo und Tierpark Friedrichsfelde durch das Land
    Berlin. Seit der Wende zahlt der Senat aus Haushaltsmitteln jährlich im
    Schnitt bis zu zehn Millionen Euro an die beiden Institutionen. Nun
    heißt es in einer Antwort der Finanzverwaltung auf eine parlamentarische
    Anfrage der Linke- Fraktion, dass der Zoo von 2012 an mit einem
    kompletten Stopp des öffentlichen Geldflusses rechnen mus.

    Staatssekretärin Iris Spranger stellt fest: “Die Zoo AG ist
    wirtschaftlich in einer guten Position, so dass es die Senatsverwaltung
    für Finanzen für vertretbar ansieht, die institutionelle Förderung ab
    2012 einzustellen.” Der Vertrag zwischen Senat sowie Zoo und Tierpark
    auf der anderen Seite läuft noch bis Ende 2011. Bisher erhält der Zoo
    rund 2,5 Millionen Euro, der Tierpark etwa 6,5 Millionen Euro.

    Die unterschiedliche Höhe der Unterstützung aus staatlichen Mitteln
    erklärt sich unter anderem aus dem Wettbewerbsnachteil des im Ostteil
    Berlins weitab von den Touristenströmen gelegenen Tierparks. Während der Zoo auf jährlich rund drei Millionen Besucher kommt, erzielt der
    Tierpark deutlich weniger Einnahmen von nur etwa 950 000 Besuchern. Für das wirtschaftliche Überleben des Tierparks will sich der Senat weiter
    einsetzen. “Die Tierpark GmbH wird dagegen auch in den Jahren ab 2012 auf eine institutionelle Förderung aus dem Landeshaushalt angewiesen sein”, heißt es in der Antwort der Finanzverwaltung. Über die künftige Höhe wird keine Aussage getroffen. Dies wird Gegenstand von
    Verhandlungen in diesem Jahr sein.

    Die Haltung des Senats zum geplanten Auslaufen der Zoo-Förderung trifft
    die Zoo AG kurz nach einem weiteren finanziellen Rückschlag. Ende
    Dezember hatte der Senat vom Zoo die Rückzahlung von rund zwei Millionen
    Euro verlangt. Grund war der hohe Gewinn, den der Zoo dank des Erfolgs
    um Publikumsliebling Knut in den vergangenen Jahren erzielen konnte. Zu dem Eisbär-Star strömen seit Frühling 2007 die Massen, bisher mehr als zehn Millionen Menschen.

    Trotz der Einnahmen durch “Großverdiener” Knut hatte der Zoo weiter
    Steuergelder erhalten. Dies hatte der Rechnungshof moniert, worauf
    kürzlich der Finanzsenator mit seiner Rückforderung an den Zoo
    reagierte. Der Zoo hatte auch mehrere Millionen Euro zusätzlich
    eingenommen durch den günstigen Verkauf des Geländes für ein geplantes Riesenrad. Das Geld blieb auf den Zoo-Konten, obwohl der Bau des Riesenrads auf dem geräumten früheren Zoo-Gelände nicht zustande kommen wird.

    In der taz findet sich heute ein Artikel über eine Konferenz in Bremen, auf der es um “Das Tier im Film” ging:

    Das Piano spielt in sich versunken zum Vorspann. Es umschmeichelt den Text, treibt ihn behutsam voran: Schubert, Piano Sonata No. 20. Da ertönen Dissonanzen, schließlich kommt die Musik ganz zum Erliegen: Mit einiger Insistenz krakeelt mit einem Mal ein Esel sein Weh und Ach in den Film, der noch gar nicht recht begonnen hat.

    Natürlich, die Rede ist von “Au hasard Balthazar”, Robert Bressons Passionsgeschichte des berühmtesten Esels der Filmgeschichte. Dessen störrischer Einbruch in die Weihehallen bürgerlichen Bildungsguts ist nicht nur als mögliche Spottgeste zu verstehen, sondern auch als konkrete Markierung einer Krise: Der Auftritt des Tiers auf den Bühnen der Menschen ist immer auch eine Störung, die Strategien des Umgangs nötig macht oder zumindest Fragen nach dem Verhältnis zwischen Ästhetik und Repräsentation aufwirft. Das 16. Bremer Filmsymposium hat am Wochenende internationale Forscher aus Film- und Medienwissenschaft im Kino 46 zusammengeführt, um mögliche Antworten auf solche Fragen zu finden.

    Die spezifische Ästhetik des Eselsschreis konturierte Ute Holl in Abgrenzung von einer rein dokumentarischen Registern verpflichteten Ästhetik der Tierstimmenarchive und Pierre Schaeffers Experimentalkompositionen, die einen reinen, vom Tonkörper losgelösten Sound suchen. Im klirrenden Schrei des Esel Balthazars hingegen tritt die Materialität von Sound und Kanal zutage, die in einer widerständig quer zum Bild stehenden Montage den Esel selbst zwischen Ding und Kreatur verortet.

    Die Frage nach der Medialität von Tieren im Film entpuppte sich bald als roter Faden des Symposiums: Den Interaktionen zwischen Tier und Mensch unter den technisch herausfordernden Bedingungen gerade der frühen Tierdokumentationen von Jean Painlevé ging Jonathan Burt nach, verlor dabei aber bei zahlreichen Assoziationen gelegentlich seine These aus den Augen. Diese lässt sich wohl analog zur Heisenberg’schen Unschärferelation begreifen: Die Induktion einer technisch gestützten Beobachtung beeinflusst das Verhalten des Gegenstands.

    Als instruktiver erwies sich Sabine Nessels kulturhistorisch informierte Verschränkung einer gemeinsamen Genealogie von Zoo und Kino aus sich wandelnden Schauordnungen im 19. Jahrhundert mit einer Motivgeschichte des Zoos im Film: Zoo und Kino bringen in ihrer jeweiligen Organisation von Exponat und Blick mediale Tiere hervor, auch in der konkreten Präsenz des Zootiers. Nessel schloss ihren Vortrag mit einer Analyse von Nicolas Philiberts Dokumentarfilm “Nénette” über die gleichnamige prominente Orang-Utan-Dame im Pariser Zoo, dessen reduzierter ästhetischer Modus sie als Reflexion über den medialen Charakter von Zootieren begreift.

    Die weitreichenden Folgen des digitalen Animationsfilms für das Tier skizzierten Herbert Schwaab und Vinzenz Hediger. Der hier eingeebnete Gegensatz zwischen Spektakel- und reinen Handlungsszenen unter einer Logik allumfassender Realisierbarkeit, die dem digitalen Animationsfilm von Anbeginn anhaftet, ist laut Schwaab als Facette einer profund gewandelten Medienkultur zu fassen. Diese bringt gerade in mit ihrer Verweigerungshaltung gegenüber Maßgaben einer perfektionistischen Oberflächenästhetik kokettierenden Filmen wie “Der fantastische Mr. Fox” und “Wo die wilden Kerle wohnen” uneindeutige Tiere zwischen Zivilisiertheit und ungezügelter Animalität hervor, die darüber mit melancholischem Blick auf sich und in die Welt reflektieren.

    Ausgehend von einer Taxonomie, die zwischen rekonstruiertem (z. B. Dinosaurier), virtuellem (also rein fiktionalem) und referenziell verbindlich aufgenommenem Archivtier unterscheidet, schlug Hediger eine Biologie des Filmtiers unter besonderer Berücksichtigung der ausschließlich medialen Habitate der beiden ersten Typen vor. Im äußerlichen Elefant mit Verhalten eines Haushunds präsentierte Hediger filmtheoretisch anspruchsvoll die Möglichkeiten einer unendlichen Mutabilität eines evolutionär verstandenen Animationsfilms, ohne dabei zu verschweigen, dass solche Grillen der medialen Natur im animationsevolutionären “Survival of the fittest” meist unterlegen sind. Kläffende, apportierende Elefanten bleiben einem herkömmlichen Darstellungen verpflichteten Kino, den Wünschen des vergnügten Tagungspublikums zum Trotz, weiterhin die Ausnahme.

    Die klassische Cinephilie geriet bei solch theoretisch argumentierenden Darlegungen mitunter ins Hintertreffen. In einer psychoanalytisch verbundenen Lektüre von Hawks’ “Leoparden küsst man nicht” machte Raymond Bellour die darin verborgenen Trieb-/Triebverzichtsstrukturen anhand einer Analyse der Handlungsfunktion der zahlreichen Tiere sichtbar.

    Am Anfang der Kinematografie, in den Aufnahmen von Marey und Muybridge, stehen, wie an deren diesseitigem Ende, Tierbilder. Dazwischen häufen und ballen sie sich, über Genre- und Modusgrenzen hinweg. Dass sich die zahlreich aufwerfenden Fragen nach weiteren Aspekten einer Kulturgeschichte der Tiere im Film nicht als Defizite des Symposiums, sondern als Angebote zur Weiterführung über ihren Rahmen hinaus bemerkbar machten, zeichnete es abschließend aus. Das Tier im Film bleibt, auf allen Ebenen, Work in progress.

    Über Tierfilme schrieb die FAZ 2006:

    Wie oft haben wir diesen einen Tierfilm gesehen, wo die Affen vergorene Früchte essen und danach sturzbetrunken durch die Steppe torkeln?

    Früher lief er jedes Jahr am letzten Tag vor den Sommerferien in der Schule. Später blieben wir immer wieder beim Zappen daran hängen, bevorzugt an verkaterten Sonntagen. Dabei reifte wie von selbst die Frage heran, ob verdorbenes Obst wirklich genug Alkohol enthalten kann, um selbst Elefanten ins Wanken zu bringen. Oder ob die Filmleute doch eher literweise Hochprozentiges in die Früchte gegossen haben, um sich mit den wenig trinkfesten Wüstentieren ihren Spaß zu machen.

    Die Wahrheit über den südafrikanischen Dokumentarfilm „Das lustige Leben der Tiere“ von 1974 erfuhren wir leider nicht auf der spannenden Konferenz über Tiere im Film, zu der Kulturhistoriker und Filmwissenschaftler im Kölner Filmhaus zusammenkamen.

    Im Gegensatz zu Genreklassikern wie Walt Disneys „Die Wüste lebt“ von 1953 oder Bernhard Grzimeks „Serengeti darf nicht sterben“ von 1959 fand der Film von Jamie Uys nicht einmal Erwähnung. Dabei hätte er das Leitmotiv der Tagung wunderbar veranschaulicht – nämlich die Unmöglichkeit, Tiere als Tiere auf die Leinwand zu bringen: Erst der Sündenfall der Trunkenheit, Gerüchten zufolge mit Betäubungsgewehren herbeigeführt, erlaubt dem zweibeinigen Publikum die volle Einfühlung.

    Nicht zufällig lautet der Originaltitel „Beautiful People“.

    Sind Zootiere eigentlich “Stadttiere” oder befinden sie sich in einer Art Zwischenraum – zwischen diesen und in der Wildnis lebenden Tieren? Während die Zootiere z.T. mit Fernsehen ruhig gestellt werden (die Gorillas im Pariser Zoo z.B. kucken am Liebsten Western), werden die Stadttiere gerne gefilmt und mehr und mehr spielen sie auch in Filmen und auf Bühnen mit:

    Tierfilme erfreuen sich steigender Beliebtheit – und manche Tiere werden regelrechte Stars, mit eigenen Trainern, Betreuern und Managern: das Pferd Fury, der Colly Lassy, der Killerwal Willy, die zwei Toyota-Äffchen, der Kommissarhund Rex usw. Im Berliner Märkischen Viertel eröffnete die ehemalige Chefsekretärin bei Borsig, Rosemarie Fieting, mit einer Lizenz der Bundesanstalt für Arbeit eine Künstleragentur, die auch Tiere vermittelt. Dahin wendet sich nun z.B. eine alte Dame, die ihren Graupapagei für besonders intelligent und witzig hält und ihn ins Fernsehen bringen will. Oder auch eine junge Punkerin – mit ihrer schwarz-weißen Ratte. Wobei aus der Sicht von Rosemarie Fieting die Herrchen oder Frauen meistens “schwieriger” sind als deren Tiere, weil sie so oft besondere Bedingungen stellen: Bei einer Katze, die für 400 DM in einem Lehrfilm der Freien Universität mitspielen sollte, waren das u.a.: “keine Scheinwerfer, keine Zugluft und keine Straßenszenen”. In der Regel kommen jedoch Leute in die Künstleragentur, die mit ihren Tieren immer wieder auftreten – und schon fast davon leben. Meistens wohnen sie am Stadtrand. Im Westen ist das z.B. Bernd Wilhelm.

    Er lebt im Schrebergarten-Kleingewerbegebiet in Haselhorst, unweit des Kraftwerks “Ernst-Reuter”. Der gelernte Tierpfleger arbeitete in den Tierversuchslabors der FU. Nach einer Infektion wurde er Frührentner. “Schon immer” hatte er sich privat Tiere gehalten – die überdies gerne irgendwelche “Dummheiten” machten. Mit den Jahren entstand daraus eine ebenso eigenwillige wie freundliche Dressurmethode, die sich heute auszahlt, insofern Herr Wilhelm mit seinen Tieren von Film- und Fernsehproduktionen oft und gerne “gebucht” wird: “Die Tiere arbeiten für ihren Lebensunterhalt.” Daneben tritt er – mit seinen Eseln, Ponys und Ziegen etwa – auch bei Laubenpieperfesten auf und unternimmt Kutscherfahrten mit spastischen Kindern. Außerdem hält er für Problempferde eine “orthopädische Hufbehandlung” parat, verbunden mit einer “speziellen Methode: Klebeschuhe aus Plastik”. Alles im erlaubten “Rahmen des 580-Mark- Zugewinns”. Die meisten seiner Tiere landeten nach einer “Leidensgeschichte” bei ihm, und sie müssen nicht auftreten, wenn sie nicht wollen. Die Perserkatze “Missy” zum Beispiel “wurde schlecht behandelt”: Jetzt liegt sie die meiste Zeit hinterm Ofen in einem Pappkarton. Benno, der kurzbeinige schwarze Hund, gehörte einer Punkerin, die jetzt in einem Haus der Treberhilfe wohnt: “Aus ihm könnte noch mal was werden.” “Fuchsy” wurde angefahren am Straßenrand gefunden. Der Kapuzineraffe “Kingkong” “arbeitet zwar nicht gerne, ist aber dafür nie böse”. Er mag am liebsten Limonade und Gummibärchen und liegt abends neben der für Kunststücke zu alt gewordenen Schäferhündin Sandra. Alle Tiere, auch die Waschbären, der Nasenbär, die Zwergschweine und die Hühner verstehen sich untereinander: “Das müssen sie auch, sonst geht das gar nicht.”

    Herr Wilhelm lehnt Aufträge, bei denen sie “schwierige Sachen” machen sollen, ab. Neulich buchte die Volksbühne seinen Hengst, damit der auf der Bühne mit herabhängendem Gemächt und von den Schauspielerinnen bewundert, auf und ab gehe. Als das nicht klappte, schlug Wilhelm vor, ihm einen Plastikpenis umzubinden. Das fand Chefdramaturg Lilienthal jedoch allzu unrealistisch, statt dessen schlug er eine “leichte Narkose” für das Tier vor (dabei hängt das Gemächt unwillkürlich herunter). Wilhelm fand diese Forderung unannehmbar. Auch der Tierschutzverein intervenierte laut B.Z. bei der Volksbühne. Andere Tiere von Wilhelm kamen dagegen ganz gut bei den Bühnenverantwortlichen im Osten an: Der Esel Max spielte wochenlang am Gorki- Theater, seine Ziegenherde wird immer wieder bei Castorfs “Weber”-Inszenierung eingesetzt und die Perlhühner gackern auf der “Rollenden Road-Show” . Wilhelms Ziegenbock tritt regelmäßig bei “Porgy und Bess” auf, wenn das US-Musical in Berlin gastiert. Bei den schwarzen Schauspielern machte Wilhelm die Erfahrung, daß die Stars ihn genauso respektvoll behandeln wie die Statisten: Das ist sonst meist nicht so – Dieter Hallervorden und Hape Kerkeling hält er z.B. für “fürchterliche Menschen”. Die größte Schwierigkeit sind sowieso die Schauspieler, “die sich erst an die Tiere gewöhnen müssen”. Insbesondere galt das neulich für einen ORB-Moderator bei Wilhelms zwei Riesenschlangen. Sein Hahn spielte jüngst im Videoclip der Lassie Singers mit: Er mußte auf einer Haltestange in der U-Bahn sitzen. Dabei schiß er der Sängerin auf den Kopf.

    Einige Kinder, die in der Schrebergartensiedlung wohnen, helfen Bernd Wilhelm gelegentlich beim Füttern und Ausmisten – die Friseuse Manuela schon seit 12 Jahren. Zu Hause hat sie selbst drei Hunde, einige Katzen und Fische. Während ich Bernd Wilhelm interviewte, erlaubte “Kingkong” mir, auf der Couch Platz zu nehmen. Als Manuela kam, bestand er jedoch darauf, daß ich ihren Stammplatz räumte. Zur Zeit sucht der wenig begüterte Herr Wilhelm einen leerstehenden Resthof im Umland: Haselhorst ist zu eng geworden.

    Im Osten gibt es das Ehepaar Ralf und Manuela Grabo – sie leben in Hoppegarten. In ihrer ausgebauten Scheune und in mehreren Volieren im Garten halten sie vier Hühner, drei Greifvögel, einen Kolkraben und zwei Pferde. In zwei Terrarien leben fünf Riesenschlangen und in einem Aquarium etliche Fische. Ralf Grabo war früher Jockey und arbeitete dann im Tierpark (im Raubtierhaus), Manuela Grabo hat, als gelernte Tischlerin, früher nie was mit Tieren zu tun gehabt. Sie fand jedoch Schlangen “schon immer schön, mein Liebling aber ist der Uhu”. Dieser sowie die anderen Greifvögel wurden zu DDR-Zeiten aus Nachzuchten erworben, teilweise über befreundete Falkner. Über den Heimtierpark Thale fanden die Grabos 1995 ihren Kolkraben “Kolja”, der schon seinen Namen sowie “Hollo” sagt, außerdem kann er bellen und gackern.

    Ihre Nebelkrähe spielte in einem neudeutschen Film im Knast Rummelsburg mit sowie in einem phantastischen US-Film – auf einem See in der Sächsischen Schweiz, wo sie auf dem Rand eines im Wasser schwimmenden großen Schuhs entlangzugehen hatte: “Die tat das, als hätte sie nie etwas anderes gelernt.” Auch die Zumutung, mit einem fremden Hund zusammen einen überfahrenen Hasen an der Landstraße zu verspeisen, absolvierte sie mit Bravour: “In die Kamera fliegen mußte sie dann auch noch, und dann hatte die Filmproduktion auch noch nicht mal Geld dafür.” Das liebe Geld: “Das sind Aufwandsentschädigungen, die nicht einmal den Unterhalt der Tiere decken.” Eines der Graboschen Hühner spielte – für ein Trinkgeld – in einem Kinderfilm mit: auf einem schwankenden Oderkahn. “Auch das hat gut geklappt, mit der Zeit werden wir ja sowieso alle, wie soll ich sagen: professioneller.”

    Neulich brauchte RTL eine Schlange, die sich kurz um einen beleuchteten Globus windet: Grabos Boa schaffte es, ohne daß Styropor-Stückchen als Stützen für sie auf die Kugel geklebt werden mußten. Bei einer anderen Dreharbeit traf Ralf Grabo auf den amerikanischen Vogeltrainer, der einst mit Hitchcocks “Vögeln” (1 und 2) gearbeitet hatte – er bat ihn sofort um ein Autogramm: “So jemand ist für mich natürlich interessanter als irgendsoein Star.” Mit Greifvögeln darf man laut des nun auch im Osten geltenden Bundestierschutzgesetzes nur beschränkt kommerziell auftreten. Grabos Bussard trat neulich in einem Volksbühnen-Stück von Johann Kresnik auf: Er saß auf dem ausgestreckten Arm einer schwangeren Schauspielerin. Obwohl der Bussard kaum Probleme mit dieser Rolle hatte, durfte er dann nicht mit auf ein Gastspiel der Volksbühne nach Belgrad: “Die Behörden wollten es nicht genehmigen. Serbien gehöre nicht zur EU und so weiter.”

    Wegen dieser Restriktionen nehmen die Filmproduktionen meist gleich einen Falkner in Anspruch oder einen Vogel der Adlerwarte im Teutoburger Wald. Und dann haben die Grabos auch noch zunehmend mit politisch korrekten Jungjournalisten zu kämpfen, die – wie tip-TV jüngst – immer wieder gerne feige-mutige Dumpfreportagen über falschverstandene Tierliebe beim Halten seltener Tiere in urgemütlichen 3-Zimmer-Wohnungen senden: “Solche Tiere gehören in den Urwald!” Manuela Grabo meint: “Eigentlich haben wir einen ganz schweren Stand in dieser Gesellschaft, wir sind eine Randgruppe. Und wie die Behörden mit uns umgehen, das grenzt mitunter schon an Schikane.” Mit einigen Schlangen veranstaltet sie regelmäßig “Patientenabende” in Reha-Kliniken: “Das hat sich so aufgebaut”, wobei sie kein “Zirkusspektakel” veranstaltet, sondern primär “Aufklärung” leistet. Auch ihre Schlangen kommen nicht aus dem Urwald, sondern aus der DDR. Eine wirkte neulich in einer TV-Dokumentation über verbotenen Tierhandel mit, wo sie auf dem Schwanebecker Zollhof in einer Voliere eine beschlagnahmte Python zu mimen hatte, die sich auf einem Ast zusammenringelt und noch ganz benommen war von der ganzen Schmuggeltour: Es klappte auf Anhieb.

    Schon seit längerem im Geschäft ist Monika: eine an den Stadtrand nach Velten gezogene Fremdsprachensekretärin aus Westberlin. Sie besitzt derzeit sieben Hunde und durchstöbert laufend polnische Tierasyle nach weiteren. Sie wohnt mit den Tieren allein in einem Reihenhäuschen – innen wie außen ist alles geradezu spießig sauber. Monika arbeitet mit den Hunden und kann bereits davon leben: Sie bildet sie für Bühne und Film bzw. Fernsehen aus.

    So musste ihr Mischlingsrüde Stepan zum Beispiel gerade für das ZDF mit einem Stück Holz, auf dem eine Krähe saß, über einen Fluss schwimmen. Diese erledigte das ebenso professionell wie der Hund, der gleich anschließend für Pro 7 in einer Verfolgungsszene einen sterbenden Jagdhund mimte – ebenfalls zur Zufriedenheit aller. Oft ist es sogar so, dass die Schauspieler eine Szene öfter wiederholen als Monikas darin mitwirkenden Hunde.

    Mehr und mehr müssen auch die noch wilden Tiere in Filmen mitspielen. Wenn z.B. Fernsehteams von ihren Sendern im Winter in den Wald geschickt werden – um in einem bayrischen, polnischen oder kanadischen Wald zu filmen, wie es gerade den Bären, Hirschen, Wölfen, Dachsen etc. dort so geht, dann fällt ihnen dabei unweigerlich das Wort “Überlebenskampf” ein, manchmal noch mit dem Zusatz “hart” bzw. “erbarmungslos”.

    Es ist kalt, die Füße sind vom hohen Schnee naß geworden, das Essen ist Scheiße, das Equipment spinnt, der Kameramann kann vor lauter klammen Fingern nicht mehr richtig drehen, der Kameraassistent steht mit seinen Eisfüßen mehr im Weg als das er hilft und dann sind die ganzen Viecher, auf die sie es abgesehen haben, auch noch so verdammt schwierig zu erwischen. Entweder halten sie sich an unmöglichen Orten auf oder das Licht stimmt nicht…Aber die Redaktionen daheim – im Warmen – drängen unbarmherzig. Das Budget ist bereits “robust überzogen” (O-Ton Buchhaltung) und dann muß zu allem Überfluß auch noch ein Teil des Tons wiederholt werden…Alles in allem steckt das Filmteam genau in dem “harten Überlebenskampf”, den es in der unbarmherzigen Natur vor sich filmt. Subjekt und Objekt sind nahezu identisch geworden.

    Auch wenn die TV-Teams bei ihrer Arbeit auf einen ganzen Tross von (lokalen) Helfern zurückgreifen können – angefangen von der Cateringfirma bis zur Autovermietung und den Wildhütern der Nationalparkverwaltung als Guides sowie den besten für sie reservierten Hotelzimmern in der Nähe ihrer Drehorte. Dafür sind die Objekte der Begierde ihrer Redaktionen – die Tieres des Waldes – Kummer gewohnt, d.h. sie sind überaus erfahren im harten Überlebenskampf – sie verhalten sich dort schon fast instinktmäßig richtig – also “optimal”. Obwohl man off the record natürlich zugeben muß, dass die Tiere im Nationalpark schon lange ganzjährig geschont sind, d.h. nicht gejagt werden dürfen und dazu noch im Winter zugefüttert bekommen, so dass sie immer mehr ihre Scheu verloren haben.

    Die Füchse kann man schon fast streicheln und die Wildschweine sind so dreist, dass man sich inzwischen umgekehrt – vor ihnen – in acht nehmen muß. Aber auch das gehört ja streng genommen noch zur Unbarmherzigkeit der Natur! Für die Fernsehteams – als Frontschweine ihrer Medienkonzerne – bedeutet das eine zusätzliche Tortur, denn ihre Dreharbeiten laufen dabei immer mehr auf eine Fakeproduktion hinaus – insofern z.B. die Hirsche teilweise über eine Waldlichtung regelrecht gescheucht werden mußten, um kurz vor Sonnenuntergang noch schnell ein paar Bilder von einem flüchtenden Rudel zu bekommen.

    Diese werden dann später mit drei über verschneite Äcker laufende Wölfe gegengeschnitten. Die Wölfe hatte die Firma “Action Animals” angeliefert, für 600 Dollar – pro Stück und Tag. Es handelte sich dabei um besonders filmerfahrene Tiere, die eine regelrechte Ausbildung in der Schweiz genossen hatten. Aber dazu kam dann noch ihre Anlieferung per Flugzeug sowie die Spesen ihrer drei Trainer, ihrer zwei Pfleger und ihres Masseurs. Letzterer war nebenbei und vor Ort auch immer noch für die PR der Firma “Action Animals” von Gerry Therrien in Vancouver zuständig, weswegen laufend irgendwelche Radio- und Lokalzeitungs-Fritzen an den Drehorten aufkreuzten, wo die drei Wölfe vor der Kamera liefen. Kurzum: Trotz oder gerade wegen der ganzen unbarmherzigen Natur wurde der Dreh zusehends unnatürlicher – und für Außenstehende absurder.

    Besonders die Wildhüter der Nationalparkverwaltung schienen das ganze mehr und mehr für ein Schwindelunternehmen à la “Borat” zu halten. Sie standen aber auch als eine Art Doppelagenten den Fernsehleuten gegenüber: Einerseits wurden sie dafür bezahlt, dass sie das Filmteam und die Wolfscrew mit ihren Wölfen zu den optimalen Drehorten führten – und sogar die eine oder andere Tierart aufstöberten bzw. vor die Kamera trieben. Andererseits waren sie aber auch deren Kontrolleure im Auftrag der Parkverwaltung, d.h. sie hatten darauf zu achten, dass das Filmteam nicht einem der 96 Parkverordnungen zuwiderhandelte, dass die Tiere des Waldes nicht “unnötig beunruhigt” wurden, usw. gleichzeitig waren sie aber auch dafür verantwortlich, dass es dem Filmteam an nichts mangelte und sie den besten Eindruck vom Nationalpark mit nach Hause nahmen. U.a. stellten sie immer wieder ihre leistungsstarken Funkgeräte zur Verfügung, die auch noch da funktionierten, wo die Handys der Filmer wieder mal in ein Funkloch geraten waren – z.B. als es galt, den angemieteten Hubschrauber für die Aufnahmen von oben zum Standort zu lotsen.

    Am Ende kam dabei ein 22minütiger Film über “Die Tiere des Waldes im Winter” heraus, der dann lieblos zwischen Weihnachten und Neujahr von einigen Dritten Programmen ausgestrahlt wurde. Die Wildhüter, denen der Sender als Dank eine Kopie geschickt hatte, fassten sich an den Kopf, als sie den Film sahen – ob dieser grotesken Diskrepanz zwischen Aufwand und Wirkung.

    Vom Tierfilmer zum Zooeinrichter: “Naturfilmer Prof. Heinz Sielmann stellt Stiftungsprojekt in der Döberitzer Heide vor”, kam es über den Ticker. Die Heinz Sielmann Stiftung, in der Heinz Sielmann federführend ist, hatte hinter Staaken 3.422 Hektar Naturlandschaft erworben, die zuletzt der Roten Armee als Truppenübungsplatz diente. Den dortigen Kasernensozialismus überlebten jedoch selbst seltene Arten wie Ziegenmelker und Fischotter, Sumpfknabenkraut, Lungenenzian und Sonnentau. Nun sollen noch Wisent- und Wildpferdeherden dazu kommen – so will es Heinz Sielmann.

    Als wir ankamen, waren wir sofort mit fünf Euro dabei – als “Förderer” seiner dortigen “naturplanerischen Maßnahmen”, deren erster Teilabschnitt bereits kurz vor dem Abschluss stand, wovon man jedoch quasi naturgemäß wenig sehen konnte. Dafür stand das “Informationszentrum für Besucher” schon – und aus Anlass des Aktionstages viele weiße Informationszelte am Eingang. Dahin gelangt man über das berühmte Dorf Dallgow-Döberitz. Dahinter kommt dann ein Abzweig ins “Olympische Dorf”, was heute eine moderne rot leuchtende Siedlung für Frischvermählte ist, sowie in die Reichsbahnsiedlung Elstal, wo sich heute die eurasische Missionszentrale der US-Baptisten befindet. Vorher biegt man aber rechts ab über die Bundesstraßenbrücke, die direkt zum Parkplatz der Sielmann’schen Naturlandschaft führt. Von den geplanten Schaugehegen existiert bis jetzt nur eins mit Ziegen, die uns jedoch alle sehr freundlich begrüßten.

    Über den Stifter erfuhren wir dann anhand einiger Broschüren und von kundigen Naturfreunden: Der Tierfilmer Heinz Sielmann arbeitete in den 50er-Jahren mit dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz zusammen und unternahm mit Hans Hass eine Schiffsexpedition zu den Galapagos-Inseln, an der sich auch der Lorenz-Schüler Irenäus Eibl-Eibesfeldt beteiligte. 1964 gründeten Hass und Eibl-Eibesfeldt ein Privatinstitut für biologische Analysen menschlichen Verhaltens in Liechtenstein, das unter anderem auch Leni Riefenstahl – bei ihrem Unterwasser-Filmprojekt – unterstützte. Sielmann blieb bis 1991 dem NDR verbunden. Seine große Zeit im deutschen Fernsehen waren die 70er-Jahre, wo er langsam den Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek an Beliebtheit übertraf, mit dem zusammen er die Zeitschrift Das Tier herausgab. Sielmanns 170 Sendungen aus der Zeit nannten sich “Expeditionen ins Tierreich”. Er bemerkte jedoch, dass das Genre Tierfilme immer inflationärer wurde. Zusammen mit seinem “Haussender” widmete er sich in den 80er-Jahren erst filmisch und dann, nach seiner Trennung vom NDR 1991, auch praktisch dem Naturschutz: mit einer Stiftung.

    Die 1994 gegründete “Heinz-Sielmann-Stiftung”, in dessen wissenschaftlichen Beirat u. a. Eibl-Eibesfeldt sitzt, kauft und sichert große Flächen vorwiegend in Ostdeutschland, um dort Wild- und Naturlandschafts-Parks einzurichten: 2.742 Hektar Braunkohlefolgelandschaft um Wanninchen bei Luckau, 1.055 Hektar Seenlandschaft bei Groß Schauen, 900 Hektar ehemaliges Grenzgebiet im Eichsfeld, 13 Hektar Stauseelandschaft im Glockengraben bei Teistungen und zuletzt eben die 3.422 Hektar große Döberitzer Heide.

    Darüberhinaus beteiligt sich die Stiftung, die ihre Zentrale auf dem Gut Herbigshausen bei Duderstadt eingerichtet hat, auch noch an der “Darwin Forschungsstation” auf den Galapagos-Inseln, an einigen Vogelschutz- und -pflegestationen in Deutschland und Italien sowie an der russischen Vogelwarte Rybatschi (früher Rossitten) auf der Kurischen Nehrung, wo das Sielmann’sche Naturfilmen kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs begann. Wenig später wurde er erst Lehrer in der Funkerausbildung, wo er Joseph Beuys kennen lernte, und dann von der Wehrmacht als Tierfilmer auf Kreta eingesetzt. Dort blieb er bis zum bitteren Ende – und drehte. Die siegreichen Engländer schickten ihn dann samt seinem Filmmaterial nach London, wo er für die BBC drei Tierfilme daraus machte. Über diesen Sender gelangte er schließlich auch wieder zurück nach Deutschland – zum NDR. Das war’s. Aber so viel erfährt man sonst selten bei einem Ausflug in stadtnahe Naturlandschaften. Und weil wir schon mal dort waren, kuckten wir uns auch noch im nahen Dorf Dallgow-Döberitz um.

    Es gibt dort inzwischen mehr Pferde als Menschen. “Dallgow is a peaceful place surrounded by meadows of wild flowers, corn fields and forests”, schreiben die drei West-Bauherren des neuen “Parkhotels” dort. Selten wurde in einem Werbeprospekt dreister gelogen: Die kleine Gemeinde vor dem Olympischen Dorf, in dem sich zuletzt die Garnison Elstal der Roten Armee befand, macht eher den Eindruck, als hätte man dort plötzlich Gold gefunden. An allen Ecken und Enden wird gebaut. Den Anfang machte die Reitschule Dietrichsmeyer, als sie von der Deutschlandhalle nach Dallgow umzog, wo sie sich auf LPG-Land – mit einem “Springreiter”- Casino nebst “Springreiter”- Hotel – erheblich vergrößerte. Es folgten zwei “Polo-Clubs”, ein Ponyhof und die Sattlerei Henning.

    Mittlerweile hat sich fast jeder Dallgower Resthof zu einem Reitcenter gemausert, und alte Fachwerkscheunen wurden zu modernen Brainstorming-Büros umgerüstet. Annähernd 400 Pferde gibt es jetzt schon in Dallgow, weitere 250 stehen in zwei nahe gelegenen Dörfern. Auf den von Baufahrzeugen ruinierten Dorfstraßen sieht man alle paar Minuten junge Blondinen aus Charlottenburg hoch zu Roß, es gibt mehr Mercedesse als Fahrräder. Der aus Spandau stammende Bürgermeister holte aber nicht nur jede Menge Pferde nach Dallgow und klatschte das Parkhotel im Landhausstil (Zimmerpreis 175 DM) direkt ins Dorfzentrum neben die alte märkische Kirche, sondern ließ dort die bayrische “Komfort-Haus GmbH Abensberg” auch noch 286 Eigentumswohnungen bauen – zu 1.100 DM pro Quadratmeter, wie Bauleiter Heinz-Jürgen Zick ausrechnete (verkauft werden sie für 5.800 bis 6.200 DM pro Quadratmeter). Weitere 2.000 Wohneinheiten sind bereits beantragt. Auch die z.T. denkmalgeschützten Häuser des Olympischen Dorfes (Löwen-Kaserne genannt, weil die Sowjets eine Löwen-Plastik vor dem Haupttor aufgestellt hatten, die dann von der Bundeswehr geklaut wurde) will der umtriebige Bürgermeister aus dem Westen “entwickeln”, aber noch blockiert die Bundesfinanzdirektion, die das riesige Areal, zu dem Sportstätten und ein Truppenübungsplatz gehören, verwaltet.

    Mehr Glück hatte er mit einem Gewerbegebiet auf der anderen Seite der B 5. Dort steht bereits ein von Lidl und Schwarz errichtetes riesiges Einkaufscenter – “Havel-Park” genannt, sowie ein “Auto-Center”. Um das Gewerbegebiet mit dem Dorf zu verbinden, wurde extra die B 5 untertunnelt. Dabei stieß man auf eine kleine archäologische Sensation: zwanzig Teerschwelgruben aus dem 7. bis 12. Jahrhundert nebst etlichen Keramikscherben. Die als runde schwarze Flächen im Sand sichtbaren spätslawischen Teer- und Pech-”Fabriken” wurden von einer darauf spezialisierten Firma aus Dürboslar namens LAND gesichert und dokumentiert. Die Untertunnelungsarbeiten an der B 5 mußten solange ruhen. Der Baufirma arbeiteten die acht brandenburgischen Studenten unter der Leitung einer holländischen Archäologin jedoch nicht schnell genug. Besser klappte die Zusammenarbeit zwischen den Archäologen und der Komfort-Haus GmbH, als auf deren Baustelle im Frühjahr sechs spätslawische Brunnen und mehrere Feuerstellen entdeckt wurden. In Dallgow fanden die Vor- und Frühgeschichtler bereits in den dreißiger Jahren Reste slawischer Besiedlung.

    Die heutige Dallgower Dreckarbeit wird übrigens zumeist auch wieder von Spätslawen, aus Polen, erledigt, die dort jedoch nur temporär, in Wohnwagen, leben. “Das Wort ‘Wohnwagen’ scheint sagen zu wollen, daß die Dialektik des unglücklichen Bewußtseins dabei ist, überholt zu werden, und daß wir dabei sind, glücklich zu werden.” Dies könnte der Werbespruch eines Wohnwagenhändlers mit Ostabitur sein, den es in Dallgow tatsächlich gibt (im Maschinenschuppen der ehemaligen LPG). Das Zitat stammt aber von dem brasilianisch-französischen Philosophen Vilém Flusser, der leider vor ein paar Jahren nach dem Besuch seiner Heimatstadt Prag von einem LKW überfahren wurde.

    Letzter Hormonstand:

    Bei den Medizinern an der Humboldt-Universität will man bereits am 1. Februar herausbekommen haben, dass das sogenannte Glücks- und Liebeshormon Oxytocin bei den hiesigen Aufstandsbefürwortern in den letzten neun Tagen in erheblichen Mengen ausgeschüttet wurde, während es bei den Kairo-Verächtern eher zurückgegangen sei.

    Die Untersuchung war eilends an 112 Studenten vorgenommen worden.

    Letzte Meldung über den Stand der Auseinandersetzung zwischen Berliner Senat und Zoo/Tierpark:

    Der Berliner Zoo kann trotz sinkender Einnahmen nicht
    weiter auf öffentliche Mittel hoffen. Es bleibe dabei, dass vom
    kommenden Jahr an dem Zoologischen Garten Berlin keine Zuschüsse aus
    Steuergeldern mehr gezahlt werden, sagte ein Sprecher der
    Finanzverwaltung am Montag auf dpa-Anfrage.

    Die Fördergemeinschaft des Zoos hatte am Wochenende Alarm geschlagen.
    Die Einnahmen des Zoos seien in den vergangenen vier Jahren vor allem
    durch weniger Besucher um ein Drittel gesunken, hieß es. Das entstandene
    Finanzloch könne zur Zeit noch durch Rücklagen aufgefangen werden, doch
    diese Rücklagen seien bald aufgebraucht.

    Dazu sagte ein Sprecher der Finanzverwaltung: “Nach unserer Kenntnis hat
    der Zoo auch 2010 einen Überschuss erreicht.” Zudem seien Rücklagen in
    ausreichender Höhe vorhanden. “Deshalb besteht sowohl wirtschaftlich wie
    zuwendungsrechtlich keine Grundlage, dem Zoo in den kommenden Jahren
    Zuwendungen zu gewähren.”

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