Szenen einer tierischen Wohngemeinschaft im Zoo - Nachrichten DIE WELT - WELT ONLINE

Anmelden | 29. September 2011, 00:51 Uhr
Drucken Bewerten Autor: Sylke Heun| 04.01.2005

Szenen einer tierischen Wohngemeinschaft im Zoo

Es hilft nichts. Die Bärenblase drückt. Bernie muß seine sichere Höhle verlassen, und da sind diese Nervensägen auch schon. Kaum hat der Petz seine Nase nach draußen gesteckt, kommen die sechs weißen Wölfe angelaufen. Neugierig umringt das Rudel den sanftmütigen Riesen und beschnuppert ihn von allen Seiten. Selbst ein unwilliges Zucken mit Kopf oder Pranke kann sie nicht verscheuchen, und auch eine ruhige Pipi-Pause ist Bernie nicht vergönnt. Ständig wuselt einer der flinken Weißen hinter seinem Rücken herum. Irgendwie war das Bärenleben früher schöner.

"Wenn die Bären einen Wunsch frei hätten, würden sie wohl die Mauer wiederhaben wollen", sagt der stellvertretende Zoodirektor Heiner Klös. Haben sie aber nicht. Vor wenigen Tagen ging das Experiment, das sich Vergesellschaftung nennt, in die heiße Phase. Nach dem 1,1 Millionen Euro teuren Umbau der Gehege, finanziert durch eine testamentarische Spende, kommen die vier Braunbären und das Rudel der sechs Kanadischen Wölfe nun erstmals miteinander in direkten Kontakt.

Vorhang auf für Berlins ungewöhnlichste WG: Es handelt sich um eine 2500 Quadratmeter große Zwei-Raum-Wohnung. Während die Wölfe sich auf dem gesamten Areal tummeln können, wurden den Bären Grenzen gesetzt. "Die körperlich schwächere Art braucht eine Rückzugsmöglichkeit", sagt Klös. Deshalb gibt es für die Wölfe zwei Tunnel und eine enge Brücke, durch die die Bären nicht passen. Die Wölfe mögen zwar körperlich unterlegen sein, Angst haben sie deshalb noch lange nicht. Kaum werden vormittags gegen elf Uhr die Übergänge geöffnet, "machen" sie auch schon "rüber", markieren das Bärengelände und nutzen den erweiterten Raum. "Sie können endlich richtig laufen", sagt Tierpfleger Marcus Röbke. Die Bären kommen den verspielten Tieren als Ablenkung gerade recht. Die ganz Mutigen zwicken die Bären ins Hinterteil, ein Wolf legt sogar regelmäßig Äste und Stöckchen vor den Bären ab, wird mit seinem Wunsch nach einem Kräftevergleich bislang aber noch ignoriert. Er hätte garantiert das Nachsehen. Als es Bärin Petzi einmal zu viel wurde, erschwischte sie ihn am Rücken, konnte ihn aber nicht festhalten. Glück gehabt. "Die Bären sind zurzeit ziemlich genervt", sagt Heiner Klös zufrieden. Die Bären, die reichlich Speck auf den Rippen haben, müssen nun wacher sein und sich bewegen. Noch erfolgreicher wirkt sich das Projekt auf das Rudel der Wölfe aus. "Sie waren vorher eine zersprengte Gruppe und beschützen sich nun gegenseitig", hat Marcus Röbke beobachtet. Gerät ein Wolf in Bedrängnis oder findet er den Übergang nicht, sind die anderen sofort da, um ihm zu helfen.

Weil alle WG-Bewohner nicht ungefährlich sind und noch dazu erstmals in ihrem Leben anderen Raubtieren begegnen, wird das Zusammenleben vorerst noch vorsichtig gestaltet. Die Übergänge sind täglich nur zwischen 11 und 14 Uhr geöffnet, damit speziell die Bären nicht überstrapaziert werden. Ein Tierpfleger beobachtet dann, was auf der Anlage geschieht. Gefüttert wird in dieser Zeit nicht, um Konflikte zu vermeiden.

Grundsätzlich sind die Zoologen mit dem Experiment bisher zufrieden, weitere Vergesellschaftungen sind vorstellbar. "Man könnte die Löwen und Erdmännchen zusammenbringen", überlegt Klös, wie in Schwerin bereits praktiziert. Auch eine WG mit Nasen- und Brillenbären sei vorstellbar. Im Berliner Zoo ist die neue Wohngemeinschaft zwar ungewöhnlich, aber kein Einzelfall. Am spektakulärsten ging es bislang bei den Nilpferden zu, die sich das Außengelände mit einem Nyalabock teilen. Dort startet die Antilope regelmäßig Scheinangriffe, die Nilpferdbulle Ede mit weit aufgerissenem Maul drohend beantwortet. Aber meist ist Frieden.

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