Wilbärs Woche
Fanpost
Erik Raidt, aus der StZ vom 18. März 2008, veröffentlicht am 17.03.2008
Stuttgart - Was Wilbär und der Weihnachtsmann gemeinsam haben? Beide erhalten so viele Briefe, dass sie mit dem Lesen kaum nachkommen. Nur die Inhalte sind ganz verschieden. Wenn der Weihnachtsmann seine Post öffnet, dann liest er: Playstation, Barbiepuppen, Fußballtrikots, Harry Potter.
Und manchmal stehen am Ende noch ein paar Wunschrechtfertigungen wie: Mama und Papa fast nie gepiesackt, in Mathe beinahe eine Vier bekommen, Opa nicht aus dem Schaukelstuhl geschubst. Na, o.k., einmal doch, aber nach drei Wochen durfte er aus dem Krankenhaus raus, und inzwischen ist er mit seiner Gehhilfe schon wieder allein bei Edeka gewesen. Da runzelt der Weihnachtsmann seine Stirn, weil jedes Jahr die gleiche Leier.
Doch derzeit kann er sich saisonal bedingt zurücklehnen. Kurz vor Ostern landen höchstens mal zwei, drei Irrläufer auf seinem Schreibtisch. Ganz anders als bei Wilbär. Dessen Fanbeauftragte in der Wilhelma, die früher als Tierpfleger, Raubtierexpertinnen und Zoodirektoren arbeiteten, bekommen täglich mehr als 50 E-Mails und Briefe. Wilbär, das ist wie Tokio Hotel mit Weichspüler gewaschen – ohne Augenringe, Trendfrisuren für Stachelschweine und kreischende Mädchen vor Hoteleingängen. Die stehen dann demnächst mit ihren Handykameras vor dem Gehege und quieken: „Guck mal, wie süüüß!“
„Sehr geehrter Herr Wilbär“, hat erst kürzlich ein Junge geschrieben, „herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Geburt! Sie können sehr froh sein, dass die Menschen Sie nicht von Ihrer Frau Mutter getrennt haben. Passen Sie bei Schneestürmen bitte auf, da kann man Sie nicht mehr sehen!“ Da ist Wilbär nachdenklich geworden, weil ihm seine Mutter Corinna neulich vor dem Einschlafen Geschichten von früher erzählt hatte. Manchmal, so flüsterte Corinna ihrem Jungen zu, war es in Stuttgart so bitterkalt, dass die Menschen im Januar nicht mal ohne Heizstrahler in den Biergärten sitzen konnten.
Lies mir lieber noch einen Fanbrief vor! schnurrte Wilbär, den es trotz Pelz fröstelte. Also gut, brummte das weitsichtige Muttertier und rückte sich das Gestell auf der Nase zurecht, das es sich von den Brillenbären aus dem Nachbargehege geliehen hatte. „Lieber Wilber, wie geht es dir?“, schreibt ein Mädchen. „Spielst du gerne Verstheken mit deiner Mama? Kennst du auch andere spiele? Wenn nein Schreibe ich dir ein paar auf. Zum Beispiel: FAGEN oder hüpfen.“ Wilbär guckte mit seinen schwarzen Knopfaugen so ratlos wie der Weihnachtsmann, wenn der mal wieder sein Playstation-Gesicht aufsetzt.
In seinem mehr als dreimonatigen Leben als Medienbär hatte seine Mutter noch nie mit Wilbär FAGEN gespielt. Manchmal waren die beiden durch die Wurfbox gehüpft und hatten sich voreinander so gut versthekt, dass sie nicht mal von den Pflegern auf den Kontrollmonitoren zu entdecken waren. Corinna dachte lange über ihre eigene Kindheit nach und darüber, ob es damals ein FAGEN-Spiel gegeben hatte.
Aber Wilbär quengelte. „Da ist noch ein ganzer Stapel ungeöffneter Briefe!“ Corinna riss ein paar davon mit ihren Eckzähnen auf. Bald schwirrten den beiden die Schädel. „Kannst du mir ein Foto schiken?“ fragt ein Mädchen, während ein Junge triumphierend behauptet: „Ich kenne auch deine Stammesbrüder Flocke und Knut.“ Als Wilbär darüber grübelte, von welchem Eisbärstamm er abstammt, wurde er sehr müde. Nachdem er eingeschlafen war, entdeckte Corinna in einer Ecke des Geheges einen angenagten Buchstaben. Es handelte sich eindeutig um ein von Eisbärzähnchen zerkautes N. Corinna nahm es in die Tatzen und dachte sich: morgen könnten wir zur Abwechslung mal Fangen spielen.
Und manchmal stehen am Ende noch ein paar Wunschrechtfertigungen wie: Mama und Papa fast nie gepiesackt, in Mathe beinahe eine Vier bekommen, Opa nicht aus dem Schaukelstuhl geschubst. Na, o.k., einmal doch, aber nach drei Wochen durfte er aus dem Krankenhaus raus, und inzwischen ist er mit seiner Gehhilfe schon wieder allein bei Edeka gewesen. Da runzelt der Weihnachtsmann seine Stirn, weil jedes Jahr die gleiche Leier.
Doch derzeit kann er sich saisonal bedingt zurücklehnen. Kurz vor Ostern landen höchstens mal zwei, drei Irrläufer auf seinem Schreibtisch. Ganz anders als bei Wilbär. Dessen Fanbeauftragte in der Wilhelma, die früher als Tierpfleger, Raubtierexpertinnen und Zoodirektoren arbeiteten, bekommen täglich mehr als 50 E-Mails und Briefe. Wilbär, das ist wie Tokio Hotel mit Weichspüler gewaschen – ohne Augenringe, Trendfrisuren für Stachelschweine und kreischende Mädchen vor Hoteleingängen. Die stehen dann demnächst mit ihren Handykameras vor dem Gehege und quieken: „Guck mal, wie süüüß!“
„Sehr geehrter Herr Wilbär“, hat erst kürzlich ein Junge geschrieben, „herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Geburt! Sie können sehr froh sein, dass die Menschen Sie nicht von Ihrer Frau Mutter getrennt haben. Passen Sie bei Schneestürmen bitte auf, da kann man Sie nicht mehr sehen!“ Da ist Wilbär nachdenklich geworden, weil ihm seine Mutter Corinna neulich vor dem Einschlafen Geschichten von früher erzählt hatte. Manchmal, so flüsterte Corinna ihrem Jungen zu, war es in Stuttgart so bitterkalt, dass die Menschen im Januar nicht mal ohne Heizstrahler in den Biergärten sitzen konnten.
Lies mir lieber noch einen Fanbrief vor! schnurrte Wilbär, den es trotz Pelz fröstelte. Also gut, brummte das weitsichtige Muttertier und rückte sich das Gestell auf der Nase zurecht, das es sich von den Brillenbären aus dem Nachbargehege geliehen hatte. „Lieber Wilber, wie geht es dir?“, schreibt ein Mädchen. „Spielst du gerne Verstheken mit deiner Mama? Kennst du auch andere spiele? Wenn nein Schreibe ich dir ein paar auf. Zum Beispiel: FAGEN oder hüpfen.“ Wilbär guckte mit seinen schwarzen Knopfaugen so ratlos wie der Weihnachtsmann, wenn der mal wieder sein Playstation-Gesicht aufsetzt.
In seinem mehr als dreimonatigen Leben als Medienbär hatte seine Mutter noch nie mit Wilbär FAGEN gespielt. Manchmal waren die beiden durch die Wurfbox gehüpft und hatten sich voreinander so gut versthekt, dass sie nicht mal von den Pflegern auf den Kontrollmonitoren zu entdecken waren. Corinna dachte lange über ihre eigene Kindheit nach und darüber, ob es damals ein FAGEN-Spiel gegeben hatte.
Aber Wilbär quengelte. „Da ist noch ein ganzer Stapel ungeöffneter Briefe!“ Corinna riss ein paar davon mit ihren Eckzähnen auf. Bald schwirrten den beiden die Schädel. „Kannst du mir ein Foto schiken?“ fragt ein Mädchen, während ein Junge triumphierend behauptet: „Ich kenne auch deine Stammesbrüder Flocke und Knut.“ Als Wilbär darüber grübelte, von welchem Eisbärstamm er abstammt, wurde er sehr müde. Nachdem er eingeschlafen war, entdeckte Corinna in einer Ecke des Geheges einen angenagten Buchstaben. Es handelte sich eindeutig um ein von Eisbärzähnchen zerkautes N. Corinna nahm es in die Tatzen und dachte sich: morgen könnten wir zur Abwechslung mal Fangen spielen.
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